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letzten Gründen folgenden Kritik beunruhigt werden konnte. Auch muss natürlich die Zeitgemässheit mit dem Wandel des fortschreitenden Zeitgeistes gleichen Schritt halten, wenn sie nicht in ihr Gegentheil umschlagen soll.1) Indessen wirkte doch die Anstalt mehr als 60 Jahre wohlthätig, wenn auch in jenem traditionell beschränktem Sinne fort, und eine grosse Anzahl jüdischer Gelehrten hatte ihr hebräisches und talmudisches Wissen derselben zu verdanken. Bis 1818 wirkte als Lehrer der RabbinatsAssessor Lazarus Hurwitz; ihm folgte Philipp Biberfeld, der 1841 starb, und mit ihm auch die alte Lehrmethode der Anstalt. Werfen wir noch einen Blick auf diese alte Methode, und es wird sich die Nothwendigkeit ihrer Umgestaltung im wissenschaftlichen Sinne klar herausstellen:
Die Beschäftigung mit dem Talmud ist seit uralter Zeit nicht bloss eine theologische, zur Ausbildung der Lehrbegriffe für Kultus, Sitte und religiöse Führung, sondern auch an sich eine fromme Thätigkeit, die Erfüllung eines Gebotes. Das bald gründlichere, bald cursorische Studium der talmudischen Schriften war, ähnlich dem Lesen der heiligen Schrift, auch ohne rituale, und selbst ohne höhere gelehrte Zwecke, ein gottgefälliges, gottesdienstliches. Daher die grosse Verbreitung der Kenntniss des Talmud unter den Juden, und deren, bis zum blutigsten Märtyrthum gehende, Hingebung für denselben, und daher auch seine Erhaltung unter allen Wechselfällen der Verfolgung.
Innerhalb der grossen Klasse von frommen Talmudlesern stiegen aber in verschiedenen Zeiten und Ländern zahlreiche Talmudforscher empor, denen das Werk nicht bloss ein Legendum war, sondern ein göttliches Gesetzbuch, dessen einzelne Aussprüche analysirt, erläutert, ausgelegt, verglichen werden müssen, um sie für alle Lebensfälle zur religiösen Anwendung zu bringen. Durch die Literärgeschichte des Talmud zieht sich eine unabsehbare Reihe von Gelehrten, deren Genialität, Eifer und Märtyrthum Ehrfurcht gebieten, und ihre Denkkraft, gleich wunderbar in Tiefe, Umfang und Erfolg für die Satzungskunde, war vermittelst des heiligen Studiums von der Schule aus die Erhalterin des Judenthums. Allein aller dieser unvergleichliche Eifer, alle diese
1) Ja der Stifter selbst scheint schon einen Fuss auf den Boden der dem Talmud fern liegenden philosophischen Wissenschaft gesetzt zu haben, da er, wie aus den Worten des oben angeführten Kalir sichtbar ist, zur Herausgabe der Logik aufgemuntert hat.