IX
,, Der Zweck der Stiftung soll in Zukunft der sein: dahin zu wirken, dass die rabbinische Literatur, d. h. die von den jüdischen Gelehrten seit dem Schlusse des Alttestamentlichen Kanons in der hebräisch- aramäischen, so wie in der arabischen Sprache abgefassten Werke wahrhaft wissenschaftlich erforscht und gelehrt werde."
Die jüdische Wissenschaft soll demnach nicht unter der Herrschaft und zum Zwecke des ceremoniellen Judenthums gelehrt werden, sondern unter der Herrschaft und zum Zweck der reinen vom Herkommen entfesselten Wissenschaft mit dem Freiblicke kritischer Forschung zur gründlichen Erweiterung der Alterthumskunde, nach ihren linguistischen, kulturhistorischen, religionsphilosophischen und allgemein sittlichen Momenten.
Eine wahrhaft wissenschaftliche Behandlung der talmudischen Schriften und der jüdischen Werke des Mittelalters bedingt aber den Beistand jener Dialecte, denen sie ihre Fassung verdanken, und deshalb wurde der Lehrstuhl für die aramäische und arabische Sprache dem Lehrstuhle des Talmud an die Seite gestellt. Der Geist, welcher nun seit 1856 im Hörsaale der Anstalt herrscht, ist der Geist der vom Vorurtheil emancipirten Forschung, welcher es gestattet ist, ihren Gegenstand mit unabhängiger Prüfung zu erfassen, abhängig nur von ihren eigenen Kräften und dem Gefühle rücksichtsvoller Pietät für die Manen der alten Weisen, deren geistige Tiefe und Glaubensstärke soviel sittlich Grosses ersann, und deren Schwärmerei im Drucke der provocirenden politischen Umgebung die Erzeugerin so mancher Irrthümer war. Und diese wissenschaftliche von ehrfurchtvoller Würdigung gezügelte Freiheit ist ein Gut für unsere Anstalt, das keine talmudische Schule mit ihr theilen kann, in welcher nicht nach Verständniss und Erforschung allein gestrebt wird, sondern die Obliegenheit drängt, die Lehre aufs häusliche und zukünftig amtliche Leben anzuwenden, und wobei doch manchmal Ueberzeugung und Auslegung in unbequemen Widerspruch gerathen müssen. Ueber dieses unser Verhältniss zu anderen Anstalten mögen noch einige früher ausgesprochene Worte hier Platz finden:
,, Die von dem Hofjuwelier Friedrichs des Grossen, Veitel Heine Ephraim , im Jahre 1774 gestiftete talmudische Lehranstalt ist im Jahre 1856 durch die Fiduciarien der Stiftung mit dem ausgesprochenen Zweck neugestaltet worden, das Studium der jüdischen Literatur auf die Höhe des heutigen Standpunktes der Alterthumskunde zu erheben. Der Talmud und andere Haupt