Teil eines Werkes 
Abth. 1 (1862) Handschriften / von F. Lebrecht
Entstehung
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ihren nichtjüdischen Mitbürgern, und die weitmöglichst zu ver­breiten ihnen eine fromme Vorschrift war, dennoch über 30 Jahre ruhig die Buchdruckerkunst anstaunten, ohne von ihr Gebrauch zu machen. Die Erklärung liegt in den angedeuteten äusseren Drangsalen, welche den Mangel eines lesebeflissenen Publikums erzeugten 1) und wohl auch den Mangel an zum Drucke sich empfehlenden Handschriften. Besonders müssen vollständige Exemplare vom Talmud selten und kostspielig, 2) vollends die oft gerühmten spanischen in Vollständigkeit schwer zu finden gewesen sein, da der feindliche Fanatismus dort sich hundert Jahre lang in Verfolgungen auf die letzte Vertreibung von 1492 eingeübt hatte. Gerade als die Universität Heidelberg den Raub der Vertriebenen hinnahm, im Jahre 1391, ward die Ge­meinde in Sevilla von dem durch den Erzbischof Martinez ge­hetzten Pöbel geplündert und viertausend ihrer Mitglieder ver­loren das Leben. Cordova, Barcellona und andere Städte ahmten das blutig- lucrative Beispiel nach, und in Medina del Campo verbrannte man die Juden und die jüdischen Bücher zugleich. Dass bei der Vertreibung aus Spanien und aus Portugal man vielen Tausenden das Leben und anderen vielen Tausenden das Besitzthum geraubt, ist bekannt. Und fanden sie auch irdische Besitzthümer in neuer Heimath durch Fleiss und Glück wieder, so gingen doch die geistigen, kostbaren Schätze unwiederbringlich zu Grunde. 3) Auch war die oben erwähnte Thatsache, dass man in der Schule den Talmnd durch Alfasi ersetzt hatte, zugleich Mitursache und Wirkung, Abschriften des erstern zu verringern: weil es schwer war, diese zu beschaffen, begnügte man sich mit dem berühmten Auszug, und weil dieser die Stelle des Talmud eingenommen, blieb letzterer von der Gunst der Käufer und folg­lich von dem Eifer der Abschreiber verlassen. Dass in solchen trüben Zeiten der ohnehin vernachlässigte Talmud Jeruschalmi theilweise ganz untergehen konnte, liegt nahe. 4)( S. unten§. 42.)

1) Von den heiligsten und populärsten Werken hat man nur einige hundert ( 300) Exemplare in den ersten Jahren der Typographie abgezogen.

2) Viele Jahre schon waren die hebräischen Pressen thätig und der Talmud , die Quelle der Religionslehre und der fast ausschliessliche Gegenstand der Schule, und selbst der Bildung, lag noch isolirt in der Handschrift. Ja selbst die Mischna fand erst 1492 die Gunst der Presse.

3) Zunz, zur Gesch. u. Lit. S. 231 führt mehre Beispiele an. *) Die ganze Ordnung Dw war in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch da, wie indirect aus Simon b. Zemach Duran's Comment. zu Aboth