Teil eines Werkes 
Abth. 1 (1862) Handschriften / von F. Lebrecht
Entstehung
Seite
45
Einzelbild herunterladen

1

- 45.

§. 34.

Verschwinden der Handschriften.

Zum letzten Male war der handschriftliche Talmud in Deutschland Gegenstand der Verfolgung. Welche Talmud- Hand­schriften es waren, ist unbekannt; viele Exemplare waren schwer­lich unter den weggenommenen Büchern, ja der Talmud muss " sehr selten gewesen sein, denn sein Vertheidiger Reuchlin selbst sagt, er habe ihn nie gesehen, obgleich er ihn theuer bezahlen wollte. 1) Von den gedruckten Tractaten der Soncini scheint er noch gar Nichts gewusst zu haben. dusdo nodoe oiw.sis haben.mod Das Verschwinden der Handschriften des Talmud bei der Allgemeinheit der Beschäftigung der Juden mit ihm, und noch dazu bei dem religiösen Verdienste, ihn zu besitzen und ihn zu schreiben, wäre unerklärlich, wenn man nicht wüsste, was er und seine Pfleger in den zuletzt vorangangenen Jahrhunderten gelitten, wodurch die Hand des Schreibers gelähmt und das Herz des frommen Gelehrten gebrochen wurde. De Rossi, der be­rühmte Kenner und Sammler der jüdischen Bücher, gesteht dies offen, 2) und wirklich war ihm selbst, trotz grossen Fleisses, Be­kanntschaft und Lage, nur Unbedeutendes zu erwerben gelungen ( s. unten), ihm, der von den meisten guten Werken die kost­barsten Handschriften, oft in mehren Exemplaren, erlangen konnte. Ja, die unvergleichlich dotirte Bodlejana hat erst im letzten Decennium einen Codex erworben nächst den wenigen Codices, welche sie mit der Oppenheimer'schen Bibliothek in den vor­letzten Jahrzehnten aus Deutschland erhielt. Auch in der reichen Bibliothek des gelehrten H. Michael in Hamburg , welche 860 Handschriften zählt, blieb der Talmud ein Desideratum, und von einem Sammler in Paris , der keine Kosten scheut( Günzburg ), hören wir, dass seine ausgesandten Agenten bisher vergebens den

1) Es mag sein, dass die Juden, wie schon mehrmals angedeutet, das bedrohte Reuchlin Werk geheim hielten und es schwerlich einem Christen feilboten. wusste nicht, dass in seiner Nähe, in Heidelberg , seit 1391 ein Talmud- Exemplar bei der Universität lag( s. unten§. 40). Später war er jedoch selbst im Besitze eines solchen, denn das in der Karlsruher Bibliothek liegende Exemplar war das seinige und es trägt seine Inschrift(?), und zwar von 1512 datirt, also kaum 2 Jahre nach dem Streite über den Talmud, bei welchem er denselben noch nicht gesehen hatte.( S. unten§. 41.)

2) Hist. Wörterbuch der jüd. Schriftsteller... Art. Talmud .