Teil eines Werkes 
Abth. 1 (1862) Handschriften / von F. Lebrecht
Entstehung
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Talmud gesucht. Auch sind die wenigen Ueberbleibsel entweder bloss einzelne Blätter, oder einzelne wenige Tractate, meist de­fect, selten eine ganze zusammenhangende Abtheilung( D), und als ein ganzes Corpus des Werkes in Vollständigkeit ist nur das einzige Exemplar in München bekannt.

Die Unpartheilichkeit fordert aber noch einen zweiten Grund für den Untergang der Handschriften. Dieser Grund ist eine Anklage gegen Juden, wie der erstere gegen Christen: die un­vergleichliche Masse von Schriften, welche dem Talmud folgen und ihn zum Mittelpunkte nehmen, sind so voll von Citaten und bestimmte Lesarten voraussetzenden Erklärungen, dass sie, wie schon oben bemerkt, in vieler Hinsicht die Stelle von textuellen Handschriften einnehmen. Und dies genügte beim Uebergehen des alten gründlichen Studiums in das haarspaltende der neuern Zeit, in welcher selbstständige Texteskritik aus den Hallen der Schule gewichen war. Der Talmud war seit dem Abdrucke für die Talmudisten unerschütterlich fest im Buchstaben, und viel besser war es Bomberg und Justiniani gelungen, ihn abzuschliessen, als früher dem R. Asche und Rabina. Bei keiner Ausgabe des Talmud ist auch nur eine Andeutung von Ver­gleichung einer Handschrift, 1) der jüdische Gelehrte fühlte kein kritisches Bedürfniss nach solcher, die Handschriften wurden ver­nachlässigt, ihr Verdienst blieb ungewürdigt, damit verlor auch ihr Aussenwerth, sie wurden nicht geschont und verschwanden.

§. 35.

Noch erhaltene Handschriften.

008 Wir haben bisher den Versuch gemacht, eine Genesis des Textes möglichst durch Jahrhunderte zu verfolgen. Für unsern Zweck, dem Texte die Wohlthat einer unbefangenen Kritik zuzu­wenden, ist es wichtig, ja unerlässlich, ein Verzeichniss der noch vorhandenen Codices vorzulegen, welches gewiss der Ergänzung, hier und da auch der Berichtigung fähig ist, und sie durch Männer, die im Besitze von Sammlungen sind oder solchen nahe­stehen, finden wird. Wir würden hierbei möglichst chronologisch

1) Selbst der fleissige Jesaja Berlin hat als Herausgeber kein Manuscript benutzt, und bei den eben unter der Presse befindlichen 5 Ausgaben in Berlin , Stomir Warschau, Wien nnd Wilna legt man nur Jesaja Berlin's Ausgabe( Dyrhen­furt) zu Grunde! Eine leise Ausnahme macht die Lubliner Ausgabe von 1576.