Teil eines Werkes 
Abth. 1 (1862) Handschriften / von F. Lebrecht
Entstehung
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§. 51.

LXXXII- LXXXIII. Wien .

An keinem Orte dürfte man reichere Hülfsmittel für den Talmud erwarten, als in der alten und reichen Kaiserstadt, der Residenz eines Staates, welcher mehr als eine halbe Million Juden zählt, in deren Gemeinden die blühendsten Talmudschulen seit Jahrhunderten ihren Sitz hatten, und auch in k. k. Juden­plünderungen konnte sich Wien mit Heidelberg u. a. erfolgreich messen. In neuerer Zeit hätte auch gerade in Wien das Be­dürfniss guter Handschriften fühlbar sein müssen, da dort seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts der ganze Talmud fünf Mal aufgelegt und in grossen Massen verbreitet wurde, auch andere talmudische Schriften zahllos gedruckt wurden, so dass Anton Edler v. Schmid zu Anfang des 19. Jahrh. dieselben Erfolge erzielte, wie Daniel Bomberg zu Anfang des 16. Jahrh. Allein Wien war es bis jetzt ebenso wenig, wie der Residenz der andern deutschen Grossmacht vergönnt, eine eigentliche Talmud­Handschrift sein zu nennen. Also wiederum ein Beweis für die Seltenheit der Handschriften. 1) Wien hat jedoch neben dem kleinen Tractat N eine in neuester Zeit erworbene Handschrift, welche vorzugsweise als Talmud - Handschrift gelten darf: die Toseftha. Ich verdanke die Nachricht über diese, wie es scheint, nicht hoch genug geschätzte und beachtete Handschrift dem Catalog der hebräischen Handschriften der kaiserlichen Bibliothek von Kraft und Deutsch , und den Mittheilungen Pinners, die mir derselbe abschriftlich aus seinem Tagebuche mit gewohnter Güte hat zugehen lassen.

Was unsre Ausgaben der Toseftha betrifft, lo liegen sie noch weit verunstalteter durch Druckfehler und die Mangelhaftigkeit der zu Grunde gelegten Handschriften vor uns, als der Talmud . Die erste, bei Bomberg , Venedig 1521 dem Alfasi angehängt er­schienene Ausgabe hat eine mangelhafte Handschrift benutzt 2),

1) Was im weiten Oesterreich aufzutreiben war, hat der bei den Juden so viel vermögende David Oppenheimer an sich gebracht, und auch dessen Talmud- Handschriften sind im Verhältniss zu seinen andern Handschriften und zu seinem Sammlerfleiss nur gering. S.§. 46, Oxford .

2) So ist im Tractat eine Lücke, bezeichnet mit den Worten: N

חסר עלה אחת: heisst es נגעים und Ende des Tractats נמצא חסר בהעתקה Diese Bekenntnisse- מן הספר שהועתק ממנו הספר אשר אני מעתיק ממנו

sind alle wörtlich in die folgenden Ausgaben übergegangen.

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