Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1958) Gedichte
Entstehung
Seite
48
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NÄCHTLICHER SCHNEEFALL

Ich weiß: es fällt Schnee.

Nun, da der Schlaf sich mir nahen will, werden Gedanken auch weich und still. Draußen fällt Schnee!

Viele Ecken hatte auch dieser Tag.

Wunsch und Erfüllung sind in so schroffen, scharfen Winkeln zusammengetroffen,

daß nur ein Wunder sie aussöhnen mag. Still, Herz! Es schwindet auch dieses Weh! Draußen fällt Schnee.

Schnee will alle Klüfte bedecken,

Schnee verwischt alle Kanten und Ecken, löscht der Linien zackigen Sprung, ründet sie zu sanftem Schwung.

Schnee legt sich über die Welt wie Linnen;

Schnee fällt über die Welt hier innen,

über mein Sehnen, über mein Sinnen.

Und all die scharfen Spitzen und Zacken,

die mir so Sohlen wie Füße zerhacken,

schwinden, wohin ich auch immer seh.

Mir ist, als ob ich auf Teppichen geh.

Kein Schritt, der noch klingen und schmerzen will. Weich liegt mein Weg, weiß und still.

Nichts tut mehr weh.

Fall, falle, Schnee!