Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1958) Gedichte
Entstehung
Seite
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SELIGE NACHT

Die scheue Seele will ihr Blühen wagen.

Die Wände dieser Welt, belauscht, bewacht,

sind schwarz mit schwerem Sammet ausgeschlagen, und die verschwiegenen, guten Geister tragen

sie feierlich ins Königszelt der Nacht.

So ist zum Fest die Kammer nun bereitet,

so blüht die Seele in die Nacht und lauscht,

in süßem Bangen bräutlich hingebreitet,

ob nicht ein Rauschen über Samt hingleitet, ob das Geheimnis schon den Vorhang bauscht.

Und daß sie Antwort nun der Frage lerne,

die in der Blüte aufsprang, weiß und groß,

kommt jäh der Wind und wirft die Fracht der Ferne, wirft ihr die Himmelssaat zerstäubter Sterne,

wirft ihr die große Hoffnung in den Schoß.

Nun trotzt die Seele schwermutvollen Mären, die trauernd sagen: Stern nach Stern erlischt. Sie hat empfangen; sie will ihn gebären,

den neuen Stern, der in den Sang der Sphären ein neues, niegehörtes Klingen mischt.

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