Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1958) Gedichte
Entstehung
Seite
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NEBELNACHT AM LÜBECKER Dom

Wo sind deine Türme, hochfahrende Zwillingsbrüder am Tage, geblieben? Gabst du sie ungetrennt

dem Nebel zum Fraße? Müder und immer müder schrumpft dein Gemäuer mutlos ins Fundament.

Ist dies das Ende? Das Ende! Nicht auszusinnen!

Tiefer sinken die Wände in stumme Qual.

Aufrechten Menschen den Zugang verwehrend ins Innen, erdnah und flacher schon spannt sich das runde Portal.

Bald ists versunken, und nie mehr erscheint es wieder. Wer seine Stunde versäumt, bleibt ausgesetzt.

Alles zwingt die Natur auf die Kniee nieder;

dich auch, hochfahrende Seele, doch dich zuletzt.

Tiefer, Seele, hinab! Du wirst ohne Hoffen

mit dem Rest deines Stolzes vor solchen Nächten zum Spott. Nur wie ein Spalt ist die letzte Zuflucht noch offen.

Krieche hinein in die Höhle zu deinem Gott!

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