2.6 Europäische Aufklärung und Haskala
klärung aller Menschen Anspruch erhebt, ohne diesem Modell des christlichen Bürgers zu entsprechen. Die Aufklärung des Menschen im Namen der Gleichheit aller muß, wenn sie konkret wird, die Aufklärung der Juden einschließen.
Der Charakter der Haskala als Aufklärung einer Minorität birgt eine besondere Spannung zwischen Universalem und Partikularem, die sich nicht zugunsten des einen oder des anderen auflösen läßt. Die Haskala wollte die Aufklärung aller Juden, aber in einem doppelten Sinne:
j) Die Haskala war zugleich Aufklärung der Juden als Menschen und Aufklärung der Juden als Juden. Was heißt das? Zunächst implizierte Aufklärung der Juden als Menschen die Gleichheit und Gleichbehandlung der Juden mit allen anderen Menschen. Die Juden mußten als ebenso aufklärungsfähig, aufklärungswillig und aufklärungswürdig gelten wie alle anderen Menschen. Die fundamentale Gleichheit der Juden mit allen anderen Menschen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, Vernunft und Würde war daher die anthropologische, juristische und moralische Voraussetzung der Aufklärung der Juden als Menschen. Diese Voraussetzung war unter christlichen wie jüdischen Aufklärern weitgehend unstrittig, sie wurde von fast allen geteilt.
Bei den Juden mußte allerdings dem Ausgang aus selbst verschuldeter Unmündigkeit erst einmal der Ausgang aus fremd verschuldeter Unmündigkeit vorausgehen. Es mußten die judenfeindlichen Diskriminierungen in Recht, Gesellschaft und Alltagswelt beseitigt, und es mußten, ganz simpel, Schulen gebaut und den Juden die Universitäten geöffnet werden. Das bestimmte die Agenda der Maskilim maßgeblich: Unter Voraussetzung gleicher Aufklärungsfähigkeit mußte Bildung, beginnend mit der Volksschule für arme jüdische Kinder, nachgeholt werden. Schul- und Allgemeinbildung als Aufklärung war die Voraussetzung der bürgerlichen Verbesserung der Juden. Emanzipation durch