z8 Europäische Aufklärung und Haskala
Bildung blieb von der Haskala bis zum zo. Jahrhundert das Programm von jüdischen Intellektuellen und Bürgern in Deutschland. 23 Unter dieser Voraussetzung jahrhundertelanger Diskriminierung und entsprechend großen intellektuellen Nachholbedarfs strebten die Maskilim innerhalb der europäischen Aufklärung nach intellektueller, wissenschaftlicher, sozialer und kultureller Anerkennung: als Mensch.
Die Anerkennung als Mensch und Aufklärer, d.h. als Mitstreiter in der europäischen Aufklärung, wurde ihnen im Einzelfall, wenn zumeist auch unter Vorbehalt, zuteil. Anders war dies mit der Anerkennung als Jude. Strittig war die Aufklärung der Juden als Juden. Denn viele christliche Aufklärer sahen auf die jüdische Religion und die Juden mit Mißachtung herab, Judesein und Judebleiben erschien ihnen als mit Aufklärung unvereinbar. Denn das Judentum galt als veraltete, überholte und vor-ver- nünftige Gesetzes-Religion, die vom Christentum schon in der Antike überholt worden und gar mit Aufklärung gänzlich inkompatibel sei. 24 Nach ihrer in einer jahrhundertealten Tradition des christlichen Antijudaismus vorgeprägten Überzeugung konnte aufgeklärt nur der Jude als Mensch werden, der Jude als Jude nicht. Stellvertretend hierfür ist die Äußerung des Abgeordneten Clermond- Tonnerre in der Constituante 1789: «den Juden als Nation alles verweigern: ... als Individuen alles gewähren». 23 Der Maskil war als Aufklärer willkommen nur um den Preis, daß er seine jüdische Religion und ethnische Identität leugnete, radikal veränderte oder aufgab.
Gegen diese Zumutung, die erstmals und beispielhaft in der Konversionsforderung Lavaters an Mendelssohn im Jahr 1769 ausgesprochen wurde, setzte die Haskala ihre Forderung nach Aufklärung der Juden als Juden. Aufklärung konnte und sollte nicht erreicht werden um den Preis der Selbstaufgabe der jüdischen Identität, konkret: der Taufe oder der Selbstverleugnung der jüdischen Herkunft und Traditionen. Deswegen war die Lavater-Affäre ein