Europäische Aufklärung und Haskala 29
Ausgangspunkt, und sie blieb ein Kernproblem für die Ausbildung der Haskala als Aufklärungsbewegung ebenso wie für das Selbstbewußtsein der Maskilim: Sie war mehr als der Verstoß eines Zürcher Pastors gegen die Religionsfreiheit und Toleranz in einem Einzelfall. Ausgerechnet der berühmteste und anerkannteste jüdische Aufklärer deutscher Sprache sollte sein Judesein aufgeben, um als Aufklärer und Mensch volle Anerkennung zu finden. Hiergegen mußten die Maskilim ihre jüdische Identität und die Gleichwertigkeit ihrer Religion verteidigen. Die Haskala forderte darum nicht nur die Aufklärung aller Juden als Juden, sondern auch die Aufklärung aller Menschen über die Juden und ihre Religion.
Darum forderte die Haskala gleicherweise die Anerkennung der Maskilim als Aufklärer und als Juden, das eine nicht ohne das andere. Für die Maskilim schloß sich Teilnahme an der europäischen Aufklärung und an der Haskala nicht aus, vielmehr bedingte das eine das andere. Die Aufklärung als Jude war ohne die als Mensch nicht zu haben, und umgekehrt. Diese unauflösliche doppelte Aufgabenstellung, sich in der europäischen Aufklärung als Aufklärer zu behaupten und zugleich Jude zu bleiben und das Judentum zu verteidigen, ist der Haskala wesentlich. Sie machte die Haskala erst zur Haskala: Es war nie das Projekt der Haskala, aus einem Juden aus Dessau oder Wilna flugs und rückstandslos einen guten deutschen, französischen oder englischen Aufklärer zu machen. Es gab solche Fälle, aber sie sind nicht typisch. Vielmehr ging es der Haskala um gleichberechtigte Teilhabe an der europäischen Aufklärung unter Beibehaltung der Eigenheit, der partikularen jüdischen Identität, Religions- und Volkszugehörigkeit. Ziel der Haskala in Preußen war niemals die Aufklärung der Juden als Deutsche, sondern die Aufklärung der Juden als Juden.
Die Aufklärung der Juden als Menschen und als Juden wird von der Haskala allerdings nicht nur gegenüber den christlichen Aufklärern namentlich der deutschen Spätauf-