30 Europäische Aufklärung und Haskala
klärung geltend gemacht, sondern auch gegenüber Juden. Aufklärung der Juden ist zuallererst Selbstaufklärung der Maskilim durch Aneignung von Bildung, Kultur und Wissenschaften, durch Mehrung des Wissens. Sie ist darüber hinaus aber auch die Aufklärung solcher Juden, die mit den Ideen der europäischen Aufklärung nie in Berührung gekommen waren, denen diese Berührung versagt worden war oder die davor zurückschreckten. Aufklärung der Juden war somit eine Forderung sowohl gegenüber den Christen als auch gegenüber den Juden, sowohl gegenüber der nicht-jüdischen Außenwelt als auch in den inner jüdischen Debatten gegenüber den Traditionalisten und Aufklärungsgegnern. Daraus folgt:
6) Die Haskala war Aufklärung mit doppeltem Publikum aus Juden und Christen, mit einem jüdischen Binnendiskurs und einem nichtjüdischen Außendiskurs. Diese Besonderheit rührt daher, daß Haskala eine Minoritätenaufklärung ist, die stets einerseits Judentum und Juden gegenüber der europäischen Aufklärung und den christlich geprägten Eliten der Majorität repräsentieren und gegen Vorurteile verteidigen muß, andererseits jedoch auch die europäische Aufklärung innerjüdisch vermitteln will. Der Außendiskurs muß das Partikulare des Judentums und der Juden gegenüber der christlichen Mehrheit darstellen, rechtfertigen, verteidigen. Der Maskil mußte das eigene Judesein behaupten, umgekehrt muß der innerjüdische Binnendiskurs das Universale der europäischen Aufklärung in den jüdischen Kontext übersetzen, adaptieren und dort akzeptabel machen.
Diese doppelte Aufgabenstellung und diese Doppelung in Außen- und Binnendiskurs sind die Ursache der Zweisprachigkeit der preußischen Haskala: In ihren deutschsprachigen Publikationen beteiligten sich die Maskilim an den Debatten der deutschen Spätaufklärung und vertraten dort die Positionen der Haskala gegenüber der deutschsprachigen christlichen Mehrheit. In hebräischsprachigen