Europäische Aufklärung und Haskala 31
Publikationen hingegen wurde das innerjüdische Lesepublikum angesprochen, um innerjüdisch für die Haskala zu werben und neue Anhänger zu gewinnen.
Das Verhältnis beider Diskurse war asymmetrisch: Während die hebräischen Texte praktisch ausschließlich von Juden rezipiert wurden, wurden die deutschen Texte sowohl vom christlichen wie vom aufgeklärten jüdischen Publikum gelesen und waren dadurch ständig dem jüdischen wie dem nichtjüdischen Urteil ausgesetzt. Während die hebräischen Texte ausschließlich dem inner jüdischen Austausch dienten, hatten die deutschen Texte eine Dar- stellungs- und Argumentationsfunktion nach außen, aber auch eine Selbstverständigungsfunktion.
Asymmetrisch ist auch die inhaltliche Gewichtung beider Diskurse: Während in den deutschen Texten die Debatte um die bürgerliche Verbesserung der Juden und die Abwehr judenfeindlicher Attacken und Vorurteile dominierten, waren diese Themen in der inner jüdischen hebräischen Diskussion fast bedeutungslos, weil eigentlich unumstritten. Dagegen herrscht in den hebräischen Texten der Haskala die Thematik des Erwerbs nichtjüdischer Bildung neben den innerreligiösen Konflikten etwa um die Übersetzung von hebräischer Bibel und Gebetbüchern ins Deutsche oder um die Frühbeerdigung vor.
Am Ende des 18. Jahrhunderts verstanden alle Maski- lim noch beide Sprachen, wenn auch nicht gleich gut. Darum publizierten manche Maskilim wie Mendelssohn, Salomon Maimon und Aaron Halle-Wolfssohn in beiden Sprachen, manche fast ausschließlich in Deutsch wie Markus Herz, David Friedländer und Lazarus Bendavid, wieder andere fast ausschließlich in Hebräisch wie Hartwig Wessely, Isaak Satanow oder Isaak Euchel. Die Muttersprache beinahe aller Maskilim war am Ende des 18. Jahrhunderts noch das Jiddische. Aber das Jiddische war zu diesem Zeitpunkt keine entwickelte Schriftsprache und schon gar keine Gelehrtensprache wie das Hebräische und Deutsche. Es galt den Maskilim als Jargon, als lingui-