3 2 Europäische Aufklärung und Haskala
stisch unreine Mischsprache, die klares Denken in Begriffen unmöglich macht. 26 Ferner war Jiddisch mit dem Odium des Stetl behaftet, es galt als Symbol für Unterdrückung und Unbildung unter osteuropäischen Juden. Einerseits war Jiddisch die populäre Umgangssprache der Massen, andererseits Ausdruck und Repräsentation eines Zustandes von Armut, Unwissenheit und Unterdrückung, aus dem die Haskala sich befreien wollte. Deshalb wurde die jiddische Sprache in den Publikationen der Haskala gemieden und lediglich als Mittel der Satire zur Kennzeichnung der ungebildeten Haskala-Gegner in Komödien wie Reb Henoch (1796?) von Isaak Euchel und Leichtsinn und Frömmelei (1796) von Aaron Halle-Wolfssohn verwendet. 27
Im aktiven mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch war die möglichst virtuose Beherrschung des Deutschen das Entreebillett in den allgemeinen Aufklärungsdiskurs. Das Erlernen des Deutschen war für die Maskilim wegen der sprachlichen Nähe ihrer jiddischen Muttersprache zum Deutschen leichter als das irgendeiner anderen europäischen Nationalsprache. Nirgendwo war die sprachliche Akkulturation leichter als im deutschsprachigen Raum. Das trug sicherlich zur Faszination der deutschen Sprache unter den Maskilim bei und sorgte dafür, daß letztlich Deutsch, neben dem Hebräischen, zur Hauptsprache der jüdischen Aufklärer in ganz Europa wurde und dies in Osteuropa sogar bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts blieb.
Mendelssohn und den anderen Maskilim in Preußen begegnete die deutsche Sprache zugleich als Volkssprache, als Kultur-, Literatur- und als Gelehrtensprache. Und dies in einem Zeitraum, wo das Deutsche sich nur wenige Jahre und Jahrzehnte zuvor an den deutschen Universitäten gegenüber dem Lateinischen als Gelehrtensprache etabliert hatte, Kultur- und Literatursprache eines eigenständigen, deutschen Aufklärungsdiskurses geworden war und schließlich von Autoren wie Herder als Volkssprache