II. Moses und die Tora
Die Tora, die Fünf Bücher Mose der hebräischen Bibel, ist im Judentum der wichtigste heilige Text. Von der Hand ausgesuchter, frommer Schreiber auf lange Schriftrollen geschrieben, wird der gesamte Text der Tora in festgelegten Abschnitten an jedem Sabbat des jüdischen Jahres laut in der Synagoge vorgelesen; die Torarollen werden in jeder Synagoge in einem eigenen Schrank aufbewahrt und für diese wöchentliche Lesung durch ein besonders würdiges und geachtetes Gemeindemitglied aus dem Schrank geholt und auf das Lesepult getragen. Nach jüdischer Tradition wurde sie dem Mose am Sinai geoffenbart und enthält die unwandelbaren Gebote und Verbote, die das ganze Leben von Juden bis in alle Details bestimmen. Deswegen wird die Tora buchstabengetreu überliefert und ausgelegt. Die Tora soll dem Anspruch nach im rabbini- schen Judentum alle Fragen des Rechts und der Moral regeln, sie bestimmt das Verhältnis des Menschen zu Gott, zu den Mitmenschen und zu sich selbst. Da sich im Alltag hier immer neue Situationen ergeben und Probleme stellen, bedurfte es immer neuer Auslegungen und Kommentare zur Tora durch die Rabbiner. Große Teile der rabbini- schen Literatur seit der Antike sind Auslegungs- und Kommentarliteratur zur Tora, die als Offenbarung religiöse, moralische und rechtliche Norm war und nicht verändert, sondern stets nur interpretiert werden durfte. Das macht das ungeheure Gewicht und die Bedeutung der Tora für die jüdische Religion, die Rabbiner und Rechtslehrer, aber auch die jüdischen Philosophen aus.
Die jüdische Aufklärung hat unter dem Eindruck der aufgeklärten Religionskritik und des Deismus den Status der Tora als Offenbarung und ihre Geltung als oberste