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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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tionspartei, die in: Bunde mit dem Berliner Salon ihre Zerstörungsarbeit durch den Chaßidismus contreminirt sah, setzte alle Hebel in Bewegung, 'um denselben zu unterdrückein Schon unter Kaiser Joseph hatte sie in Oesterreich Erlässe gegen die Chaßidim erwirkt, und der Rabbiner von Rzeszow, Blumenfeld, hatte die drei Häupter, R. Mendel Torem, R. Isaak Jacob Horoimtz und R. A. I. Heschel, einsperren lassen, freilich um nach 24 Stunden ihre Freilassung zu er­bitten. Mit dem Tode des Kaisers und in den. darausfolgenden Kriegswirren hörten die Verfolgungen auf, um mit der Reaktion wieder ausgenommen zu werden. Unter Kaiser Franz wurden die Chaßidim als staatsgefährliche Schwärmer denunzirt. Der humane Kaiser, der den Nikolsburger Landrabbiner R. Mordchai Bauet persönlich hochschätzte, verlangte sein Gutachten darüber. Damals schickte R. Naftali Ropczyccr einen Boten an ihn, um ihn an sein oben geschildertes Zusammentreffen mit R. Elimelech zu erinnern. Ter Rabbiner antwortete, daß dies unnöthig wäre, da er durch seinen Lehrer R. Schmelke ^"21 hinreichend über die Tendenzen des Chaßidismus unterrichtet sei.

Fortan beschränkten sich die Verfolgungen in Galizien lediglich aus Paß­plackereien. In Polen sandte die Regierung einen General auf Reisen, der sich die Dinge ausehen sollte. Als er den R. Meier Achter vor sich lud und an ihn die Frage stellte, warum er so laut bete, antwortete dieser mit Ekstase:David sagt in den Psalmen (39,4): ON Mein Herz ist heiß in mir, bei

meinem Denken entbrennt das Feuer, so rede ich mit meiner Zunge." Der Mann imponirte dem General, der ihn mit Ehrenbezeugungen entließ. Von dort begab sich dieser nach Przysucha zu R. Bunem, der ihn durch seine weltmännische Bil­dung und seinen Geilt gefangen nahm. Doch soll R. Bnncm, als er einsah, daß die Gefahr eine eminente sei, ohne Rücksicht aus seine Seligkeit, den General durch eine leichtfertige Acußerung getäuscht haben, welche zwar die Einstellung der Maßnahmen zur Folge hatte, ihm jedoch, als sie ruchbar wurde, eine offene Gegnerschaft Seitens R. Mose Koziniecer's und R. Jesaia Przed- borzer's eintrug, die er nicht lange überlebte. Er starb am 12. Elul 1826.

K o tz k.

Schon bei Lebzeiten des R. Bunem, der erblindet war, hatte sich eine Art Nebenhierarchie in seinem Anhänge herausgebildet, deren Haupt wiederum ein seinen Meister an Gelehrsamkeit überragender Schüler war, R. Mendel, der Schwager des R. Isaak Meier, einer der merkwürdigsten Produkte dieser Partei, der das System seines Lehrers auf die Spitze und bis zum Zusammenbruche trieb. Derselbe entstammte einer Familie aus deu niedersten Klassen, so daß ein alter Choßid seinem Vetter, der ihn von seinem Platze mit Berufung auf seine Verwandtschaft mit dein Rebben verdrängen wollte, zuricf:

Cbotsch (Trotzdem) Du bist ein Vetter (Fetter), bist Du doch grob (im Jargon grob ^ dick, zugleich ordinär, ungebildet)." Sein außergewöhnlicher Scharf­sinn hatte die Aufmerksamkeit des reichen. Vaters des R. Isaak Meier aus den armen Bochur gezogen, der ihn als seinen Schwiegersohn einsetzte und so die Zwei schärfsten Köpfe Polens in seinem Hause vereinigte. R. Mendel kannte den ganzen Talmud bis ans die entlegenste Tosifta auswendig und lvar ent­schlossen, das Studium desselben zur ausschließliche» Ncligionsübung zu erheben. Es erstand somit dem Chaßidismus auf seinein Rückzüge ein gefährlicherer Feind im eigenen Lager, als es selbst der Gaon gewesen war, der, was Schätzung der Kabbala und Omicira, des Gebetes und der praktischen Ausübung der Riten betraf, sich in vollster llebereinstimmung mit den Lehren des Chaßidismus befand.