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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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nacht (14 ,Äslew 1858). Man flucht noch immer, sagte er. Aber cs wird ihm so gehen, wie Tossafvt in Kidnschin (31 d) sagt: Mismor leassas: Eine arme Sklavin ging zum Brunnen und ließ ihren irdenen Krug hinab. Sie saß und weinte. Da kam eine Königstochter und ließ ihren goldenen Krug hinab. Da freute sich die Arme und sagte: Man wird den goldenen Krug hinanfbringen, da kommt auch mein irdener mit. Er wird einmal mit weit Größeren anfangen, als ich einer war, dann wird auch mein Krug daran kommen.

R. Jecheskeel, der einzige unter den zahlreichen Söhnen des R. Chaim Halberstamm, der oft Einspruch gegen seine Leidenschaftlichkeit zu erheben wagte, reiste nach Palästina und wandte alle Mittel an, um den Bann rückgängig zu machen, aber erfolglos. Als einziger Asket unter seinen Brüdern von strenger

Frömmigkeit, beobachtete er den Bann so streng, daß er das Grab seines Vaters nach dessen Ableben (er starb an einer hitzigen Krankheit 1876) niemals besuchte und es als Folge desselben ansah, als beim Ausbruche eines Brandes im Jahre 1860 ini Hause des Rabbiners, das Feuer auf dem weit entfernten Friedhofe das Grab desselben mit dem Ohel (Grabhaus) in Brand steckte. Dieser Rabbiner,der von seinem Wohnsitze in Sieniawa aus die Nachfolge seines Vaters und dessen Anhang leitete, war bestrebt, das entfachte Feuer der Zwietracht nach Kräften einzudämmcn, so weit dies bei den auf's höchste erhitzten Gemüthern möglich war. So schloß diese traurige Episode der Angliederung der Gegner an den Chaßidismus, die ihm weit mehr geschadet hat, als alle feindliche Angriffe.

Schlu ß.

Wie mit dem Morgengrauen die funkelnden Sterne am Himmel verschwinden, die dem Schiffer auf hoher See, dem Wanderer in pfadloser Wüste als Wegweiser dienten und nur das blasse Licht des Abschied winkenden Mondes und vereinzelt glänzender Sterne an die Pracht des Firmaments erinnern, während in der Niederung dichte Nebel mit dem Purpur der Morgenröthe ringen, so stellt sich uns die letzte Phase der ihrem Abschlüsse zueilenden Exilsnacht des Golus dar, in welcher das Judenthum den letzten Entscheidungskamps um seine Existenz gegen die himmel­stürmenden Titanen der sogenannten modernen Kultur siegreich bestanden hat. Es heißt im Abschiedsgesange des unsterblichen Mosche:Ich dachte, ich werde sie in einen Winkel stellen, wo ihr Andenken für die Menschheit verschollen bleibt." In diesem unbeachteten Winkel der Geschichte pulsirt eine unzerstörbare seelische Lebenskraft eines Volkes.