Boden gedeiht, Mordcha Goldstern mit Namen, ein tüchtiger Talinndist, dabei so hoch und breit, daß er kaum in deni kleinen Hänschen aufrecht stehen konnte. Als er von der Attaque hörte, welche die „groben Jungen" gegen die Chaßidim veranstalteten, kam er nach und bläute den Kultusvorstand so nachdrücklich durch, als es seine Fäuste erlaubten. Ich traf auf der Rückreise von Rymanow den Knltuspräsidenten Mendel
P. in Miejsce. Wir freuten uns auf das Wiedersehen: aber sein Antlitz zeigte eine
merkwürdige Aehnlichkeit mit den grünen und rothen Fähnchen auf der Karte der Mandschurei. Ich stellte mich, als ob ich von der Affaire nichts wüßte, und fragte ihn über die Provenienz des Farbenspiels. Ich bin von einer Fuhre gefallen, sagte er.
Weniger harmlos verliefen die Dinge, je weiter man nach Westen kam. Es herrschte eine verheerende Feuersbrunst im ganzen jüdischen Lager. Dazu kam 1873 die Cholera, und der Antisemitismus, der durch den Bruderzwist, der bei den Polen großes Aufsehen erregte, unerwartete Nahrung fand, da die Achtung, welche die Rabbinen auch in diesen Kreisen genossen, ebenso erschüttert wurde, wie im eigenen Lager. Derartige Kümpfe haben in gewissen Zwischenräumen häufig genug das Volk erschüttert und jedesmal hat der mit Unrecht angegriffene Theil sich Hinreißen lassen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, Feuer mit Feuer zu erwidern.
In diesem Falle zeigte sich auf der Gegenseite der hohe Charakter der
jüdischen Weisen in vollster Hoheit und Würde.
Es hätte nur eines Wortes bedurft, um der Gewaltthätigkeit Gewalt entgegenzusetzen. Als man dem Rabbiner von Husiatym, dem Jüngsten unter den Brüdern die Schmähschriften vorlas, die unglaubliche Beleidigungen enthielten, nahm er sie zu sich, steckte sie in die Tasche und sagte: Von Schweigen wird man nicht nrüde. Weiter durfte über die Sache nicht mehr gesprochen werden.
Dem Rabbiner von Czortkow wurde von seinem Brudersohne, dem hochgelehrten R. Nachum Ber, sehr eindringlich zugeredet, um ihm eine Aenßerung der Schärfe zu entlocken. Er hörte ihn lautlos an und sprach dann: R. Barnch (Enkel des Balschemtow) Pflegte zu sagen: Ps-41,12. David sagte: Daran erkenne ich, daß Du an mir Wohlgefallen findest, wenn mein Feind nicht über mich jammert. Denn wenn ich die Ursache wäre, daß er meinetwegen gestraft wird, so hat das nach dem Talmud zur Folge, daß eine Ungnade auch auf denjenigen fällt, der die Strafe veranlaßt." Einer meiner Freunde in K., der als Schwiegersohn eines reichen Anhängers der Gegenpartei in ihrer Klans betete, wurde ausgestoßen. Er klagte sein Leid in einem Briefe an den Rabbiner von Sadagora. Die Antwort des Sekretärs lautete: R. Scheftcl, ein Enkel des Bcrdyczewer Rabbiners, hat mit dem Rabbiner über die Verfolgungen gesprochen und ihm gesagt:
Ihr seid von den Neelowim wcenom Olwim (die Schmähungen nicht erwidern), aber wie könnt Ihr die Verfolgungen gleichmüthig Anlassen, denen die Leute überall ansgesetzt sind? Darauf erwiderte der Rabbi: Gewiß muß man beten, daß ihnen kein Unheil widerfahre, aber rncmuror äin sein (d. h. das göttliche Strafgericht Herabrufen) aus irgend ein Geschöpf, das darf man nicht.
Wie das nun bei solchen Dingen geht, war diese Geistesgröße und Langmuth keineswegs dazu angethan, die wüthendcn Gegner zu entwaffnen und da dieselben selbst auf die Stimmen besonnener und ehrlicher Anhänger nicht hörten und immer heftiger winden, da rafften sich endlich die russischen Rabbiner, ohne die Häupter zu fragen, zu einer entscheidenden That auf. 120 Rabbiner verfaßten ein Promemoria, durch welches in Jerusalem an der Tempelmauer und in Meron am Grabe R. Simeon ben Jochais vor versammeltem Volke aus aller Herren Länder der große Bann über den Rabbiner von Neusandez verhängt wurde. Ein schauerlicher Akt, der während des ganzen Exils kaum seines Gleichen hat. So erfüllte sich die Voraussagung des von ihm grundlos verfolgten Wielopoler Rabbiners in der Sterbe-