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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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in allen Gliedern lag, ließ sich nicht darauf ein nnd bezeugte seine Unterwürfigkeit. Jetzt nach 15 Jahren, war die Gelegenheit gekommen, als Rächer und Retter der Religiosität aufzntreten.

Was da an Schimpfen und Flnchkonzertcn geleistet wurde, ist bereits in alle Winde verweht, soweit die gedruckten Pamphlete es nicht der Nachwelt überliefert haben. Der Rabbiner von Babescht (Ungarn), der später von seinem Cousin, dem erwähnten Sohne, aus dem Rabbinat in Gorlice durch Denunziationen und Kümpfe widerwärtigster Art verdrängt wurde, klagte mir sein Leid, in welchem er die gerechte Strafe dafür erblickte, daß er dem sthlnnknndigen Baruch seine Feder zur Abfassung dieser ruchlosen von nnwidergebbaren Schmähungen strotzenden Pamphlete geliehen habe. Man blieb dabei nicht stehen. Falsche Zeugenaussagen über angebliche Religionsverletzungen wurden inszenirt nnd vor einem selbstkonstitnirtcn Tribunal die Exkommunikation über alle verhängt, die sich als Anhänger der Familie Friedmann kund gaben. Man solle mit solchen keine Ehe eingehen, die geschlossenen Ehen lösen, die Lehrer und sonstige Angestellte, ihrer Stellen entheben, den Mohelim nicht gestatten, ihre Kinder in den Bund Abraham's aufznnehmen, den Frauen nicht erlauben, die rituellen Bäder zu benutzen, ihre Betstuben zerstören, kurz, sie wurden vogelfrei erklärt an Leben und Eigenthnm. Warum? Wegen des Dogmas der Unfehlbarkeit. Der Führer der polnischen Chaßidim, der 70jährige R. Enoch in Alexander, hatte die einzig richtige Erklärung dafür. Er, der leider eine ähnliche Erscheinung zu beobachten und im Keime zu vertuschen Gelegenheit gehabt hatte, sagte: Die Menge ist blind. Man sollte in die Synagogen gehen nnd für ihn beten) er ist geistesgestört.

Der Pöbel ließ sich aber solche Aufforderungen zur Gewaltlhätigkeit nicht zweimal sagen. In ganz Wcstgalizien, wo die sogen. Sadagorer in kleiner Minorität waren, wurden die Aufforderungen pünktlich befolgt. Existenzen wurden vernichtet, Menschen an den Bettelstab gebracht, zu Krüppeln geschlagen, und nur der Furcht vor der Polizei war es zu danken, daß nicht direkte Tvdtschlägereien an der Tages­ordnung waren. In Bukowska, Ivo damals der unter dem Namen des Pvppofer in deutschen Kurplätzen bekannte Enkel des R. Chaim seinen Wohnsitz hatte, siel man am Sabbath in die Klaus der Sadagorer ein, zerriß sämmtliche Scforin und warf sie in den Fluß. Wer den religiösen Vorschriften über die Mikwah Genüge leisten wollte, mußte dies mit Lebensgefahr durch einen Nachtmarsch im Winter in dem einige Meilen entfernten Nowotaniec versuchen. Es ist noch nie eine Verfolgung aus purem Liuu'8 oirinuoin mit größerer Frivolität, Frechheit und Niedertracht inszenirt worden.

Wie benahmen sich die Angegriffenen in diesem Kampfe?

Was die unteren Klassen betrifft, so waren, wie gesagt, die Chaßidim in Westgalizicn in verschwindender Minorität, da nur arme gelehrte Idealisten sich den Anstrengungen nnd Entbehrungen so weiter Fahrten auszusetzen pflegten. In Gorlice gab es z. B. nur einen Äbnsch, einen sehr tüchtigen Talmndisten, der sich ein Vergnügen daraus machte, weuu er nach einem halben Jahre Aufenthalt in Sadogora nach Hause kam, seinen Gegnern das Verächtliche ihrer Handlungsweise klar zu machen und sich halbtodt Prügeln zu lassen. In Jasienica, wo ich damals eine Angelegenheit zu besorgen hatte, wurde ich, der ich bei beiden Parteien in der Friedenszeit pei'Kcmu Zrulu nnd auch durch eine Art Talisman geschützt war, von den Honoratioren des Städtchens mit Ehren ausgenommen, trotzdem sie cnragirte Sandezer waren, wie alle reichen Philister und das Volk der niederen Stünde. Meinen Bekannten, durchwegs hochiutelligenten, gelehrten jungen Leuten, wäre cs aber schlecht ergangen. Man überfiel ihre Klause unter Führung des Kultus nnd schlug daraus los. Da war aber ein Fleischhauer, wie er nur ans polnischem