I.
or genau dreihundert Jahren lebte in Frankfurt a. M. Rabbi Jesaja Hurwitz. Er war einer der bedeutendsten Männer seiner Zeit und das wollte damals viel sagen, wo Kenntniß der Thora und gewissenhafte Erfüllung ihrer Gebote Gemeingut der jüdischen Zerstreuten in allen Ländern ihrer Zerstreuung war. Rabbi Jesaja überragte seine Zeitgenossen durch seinen tiefen, Hellen Geist, der alle Gebiete der Thora mit wunderbarer Vertrautheit beherrschte. Auch in die Wissenschaft der Kabbala war er tief eingedrungen. Mit seinem durchdringenden Verstand verband er ein edles Herz und eine innige, aufrichtige Frömmigkeit, welche die Gedanken des hohen Geistes und die Regungen dieses guten Herzens in herrliche Thaten umsetzten. Was außer diesen Vorzügen des Geistes und Herzens Rabbi Jesaja noch vor anderen Rabbinen Dortheilhaft auszeichnete, war der Besitz irdischer Reichthümer. Er verwandte diesen Wohlstand in einer Weise zum Wohle seiner Mitmenschen, die uns geradezu unglaublich klingen würde, wenn wir nicht zuverlässige Zeugnisse darüber hätten. Mabbi Jesaja setzte sich nie zu Tische nieder, ohne daß wenigstens achtzig Gäste an seinem Mahl theilnahmen!*)
*) Bezeugt von seinem Sohne Rabbi Scheftel in der Vorrede des "Buches: „Wowe Hoamudim."
( 1 *)