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Zügellosigkeit und Gewaltthätigkeiten jeder Art in hohem Grade gefährdet war und daher jede Ausschreitung mit furchtbarer Härte bestraft wurde.
Es kam damals oft vor, daß herumziehende Personen ohne genügenden Ausweis eingekerkert, ausgepeitscht, und daß Diebe Zum Tode durch den Strang verurtheilt wurden. Daß arme, umherziehende Juden unter solchen Verhältnissen sich keiner besonderen Rücksicht zu erfreuen hatten, braucht wohl kaum gesagt zu werden und so kam es, daß Rabbi Jesaja oft in die Lage kam, für den einen oder anderen seiner Gäste ein gutes Wort einzulegen. Seine Wohlthätigkeit und beispiellose Gast- lichstkeit war der Polizei wohlbekannt und sie versagte Diesem Wohlthäter der Armen selten einen seiner edlen Wünsche.
Herr von Dingeldein war deßhalb über den Zweck des ihm zugedachten Besuches gar nicht im Zweifel; er überflog noch einmal flüchtig die Liste der in dem Polizei-Rapport aufge- sührten Verhaftungen, um über das Bittgesuch sofort unterrichtet zu sein, aber unter den Verhafteten befand sich nicht ein einziger Jude.
Rabbi Jesaja wurde sofort vor Herrn von Dingeldein vorgelassen und äußerst huldvoll empfangen.
Der Polizeidirektor unterhielt sich jederzeit gern mit dem würdigen, weisen Vertreter der Frankfurter Judenheit; heute aber war er besonders leutselig, da er wußte, daß es keine der gewöhnlichen Veranlassungen war, der er diesen Besuch verdankte.
„Was verschafft mir die Ehre Eures Besuches? Wenn wich nicht alles täuscht, so kommt Ihr heute nicht als Bittsteller für einen zur Verantwortung gezogenen Glaubensgenossen,
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