Liegt das nicht in Eurer Hand, so verzichte ich auf die Aufspürung meiner entwendeten Werthsachen."
„Ihr seid ein merkwürdiger Mann." hob Herr von Dingeldein nach einer kurzen Pause an. „Wollt Ihr denn, daß alle Diebe frei ausgehen und vielleicht noch belohnt werden sollen? Ein solches Verlangen ist mir noch nie gestellt worden, am wenigsten aber von einem Mann des Gesetzes, der doch selber berufen ist, dem Recht zur Achtung und Anerkennung zu verhelfen. Warum wollt Ihr eigentlich, daß der Einbrecher, den Ihr gar nicht kennt, straffrei ausgehen soll?"
„Verzeiht, gnädiger Herr, ich bin gewiß dafür, daß derjenige, der ein Unrecht begeht, bestraft werden soll. Aber, wenn Jemand mich verkürzt hat, so möchte ich nicht, daß meinetwegen ein Mensch eine Strafe erleiden soll. Unsere Weisen sprechen demjenigen die ewige Seligkeit ab, durch den ein Mensch eine Strafe erleiden mußte, und so viel sind mir die gestohlenen Gegenstände doch nicht werth."
„Das steht im Talmud ? Das muß doch ein merkwürdiges. Buch sein, wenn es solche hingebende Selbstlosigkeit verlangt. Aber in der Sache selbst kann ich Euch nicht zu Willen sein. Wenn Ihr jetzt fortgeht und verzichtet lieber auf die Untersuchung, so muß ich sie dennoch aufnehmen, nachdem mir das Vorhandensein eines Diebstahls durch Euch kund geworden ist. Ich würde mich sonst zum Hehler des Diebstahls machen. Gelingt es mir, den Thäter zu ermitteln, so muß ich ihn dem Gerichte überliefern und nicht ich, sondern dieses hat zu entscheiden, ob er straflos ausgehen soll oder nicht."
Rabbi Jesaja schwieg. Er fühlte, daß er einen Fehler begangen, der darin bestand, daß er den Polizeidirektor überhaupt in's Vertrauen gezogen habe.