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I.
nsere Erzählung führt uns ein halbes Jahrhundert zurück in das damals turhefsische Dörfchen Malsfeld. Die kleine jüdische Gemeinde verkehrte mit
der christlichen in einer friedlichen, man kann fast sagen, brüderlichen Weise, die einen heute, fünfzig Jahre später, geradezu unglaublich anmuthet. Viel trug zu diesen guten Beziehungen die Persönlichkeit des Gemeindeältesten der jüdischen Gemeinde, Heinemann Bensew, der Held der folgenden Erzählung, bei. Er war ein Mann ohne besondere allgemeine Bildung, aber er verband mit einem Weichen, guten Herzen, einen festen, unbeugsamen Charakter; eine Verbindung, die man sonst nur selten anzutreffen pflegt. Er war auch durchaus kein reicher Mann, aber sein guter Rath, seine allezeit hilfsbereite That standen jedem zur Verfügung, mochte er Jude oder Christ sein. Seine strenge Rechtlichkeit, seine innige Frömmigkeit und seine Kenntniß der Thora hoben den schlichten Mann, ohne daß er es wollte oder nur wußte, hoch über das Niveau seiner ganzen Umgebung, so daß Alle mit einer gewissen Achtung und Ehrerbietung zu ihm aufblickten.
Als er sich sein Häuschen baute, führten die Bauern des Ortes die Steine dazu bei, ohne dafür eine Bezahlung anzu- mehmen.
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