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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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eine Zerstörung des von unseren Vätern uns überkommenen Heiligthums bedeutet. Dieser Angriff auf unser Allerheiligstes hat bei Euch und bei Euren Gesinnungsgenossen im Land- rabbinate selbstverständlich die schärfste Gegnerschaft gefunden. Aber schließlich ist das Machwerk doch mit einer einzigen Stimme Majorität angenommen worden. Jetzt soll das Ganze die landesherrliche Genehmigung erhalten, und damit den Machern keiner einen Strich durch die Rechnung macht, hat man Allen das Ehrenwort abgenommen, hat-"

Erschrocken sprang Rabbiner Wetzlar von seinem Sitze auf.-

Seid Ihr ein Nowi? (Prophet) ein Baal Schem? (ein Kenner der an den Gottesnamen geknüpften Geheim­nisse) steht Ihr mit dem Himmel oder mit den Schedim (Dämonen) in Verbindung? Sagtet Ihr nicht, Ihr kämet von Malsseld? Wer hat Euch enthüllt, was vor fünf Stunden in Kassel gesprochen wurde?"

Beruhigt Euch, Lehrer und Meister, ich bin nichts, als der schlichte Landmann, wie Ihr ihn seit vielen Jahren kennt. Aber Gottes Gnade hat mich vielleicht würdig be­funden, in seiner starken Hand das schwache Werkzeug zu sein, womit er die Pläne der Listigen vereitelt."

Nun erzählte er dem an seinen Lippen hängenden Lehrer die Geschichte mit dem Pfarrer, wie sie ihn vor zwei Jahren nach Kassel führte und wie er damals Zeuge der Unterredung war, die nun ihre Früchte gezeitigt hatte.

Und das Alles tragt Ihr fast zwei Jahre mit Euch herum, ohne mir ein Sterbenswörtchen davon zu sagen? Hättet Ihr mir durch einen Wink nur das, was Ihr gehört