Druckschrift 
Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
Seite
182
Einzelbild herunterladen

182

habt, angedeutet, so hätte ich, durch Euch gewarnt, jedenfalls mein Ehrenwort verweigert."

Verzeiht meine Zurückhaltung; es war kein Mangel an Vertrauen in Eure Verschwiegenheit und Einsicht, der dieses Schweigen entsprungen ist. Ich war in meinen jüngeren Jahren sehr gesprächig und mittheilsam, aber je älter ich wurde, desto mehr habe ich gesunden, wie wenig Brocho (Segen) an dem gesprochenen Worte ist. Wenn unsere großen Weisen sägen, daß der Segen Gottes nur auf Dingen ruht, die dem Auge entzogen sind, so möchte ich auf Grund meiner Erfahrung auch das Ohr hinzufügen. Dazu kommt, daß ich einmal im Sefer Chassidim (Buch der Frommen) gefunden habe, daß jedem Menschen eine bestimmte Zahl Worte zu sprechen bestimmt ist, wenn er diese gesprochen hat, ist sein Lebensfaden abgelaufen. Warum sollte ich leichtsinniger, oder unnöthiger Weise mein Leben verkürzen, wenn ich durch Schweigsamkeit das Mittel in der Hand habe, es zu ver­längern?"

Bensew, ich habe Euch immer geschätzt und geachtet, aber daß sich ein solcher Kern unter der unscheinbaren Hülle Eures äußeren Auftretens verbirgt, das habe ich nicht geahnt."

Wenn Ihr wüßtet, wie stolz mich dieses Euer Lob machte, wenn ich es verdiente, und wie ich mich dessen schäme, weil ich es nicht verdiene, so würdet Ihr darin einen ferneren Milderungsgrund für mein Schweigen erblicken."

Ihr braucht Euch bei mir wegen Eures Schweigens nicht mehr zu entschuldigen, denn jetzt sehe ich erst ein, Welchen großen Dienst Ihr der Sache bereits durch Euer Schweigen erwiesen habt. Hättet Ihr mich gewarnt und hätte ich in Folge dessen mein Ehrenwort zu geben verweigert, so hätte