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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Erzähle doch einmal weiter, Dein Jude fängt an,, mich zu interessiren."

Prälat Schellenberg war jetzt im richtigen Fahrwasser,, und als er nach einer Viertelstunde seinen Bericht beendet hatte, sagte Hassenpslug:

Den Malsselder Synagogen - Aeltesten mußt Du mir- einmal schicken; ich suche schon so lange nach einer Gelegenheit, den Kasseler Juden eins einzubrocken; jetzt bietet sie sich ganz ungesucht."

Was haben Dir denn die Kasseler Juden gethan?"' fragte der Domäneminister.

Du fragst auch noch? Sie führen mich ja schon so und, so viele Jahre am Narrenseile herum, und wenn ich heute Abend hier nicht gehört hätte, wohin sie eigentlich zielen, ich hätte sie ja für lauter stock - orthodoxe Talmudjuden gehalten. Einen schönen Streich habe ich ihnen schon einmal gespielt, den sie mir nicht so bald vergessen werden."

Was war denn das?" fragte der Prälat.

Als der vorige Landrabbiner starb, ich glaube, es war im Jahre 42, da ließen sie die Stelle sechs, sieben Jahre oder noch länger unbesetzt. Auf wiederholte Reklamationen seitens des Ministeriums traf immer die stereotype Antwort ein, sie gäben sich alle Mühe, aber sie hätten die richtige Kraft noch, immer nicht gefunden. Mir kam das sonderbar vor, daß sich, für Kassel kein Landrabbiner finden lassen solle. Ich recher- chirte und hörte nun zu meinem Erstaunen, daß die super­klugen Leutchen immer aus die Feiertage einen anderen Rab­biner zur Probepredigt kommen ließen; für sonst im Jahre- konnten sie ihn leicht entbehren. Für die Feiertage hatten sie aber den Genuß, jedesmal einen anderen Prediger zu hören,.