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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Du bist aufgeregt und hast ja nicht einmal ein Wort der Aner­kennung für Deinen Mann übrig, der eine Sache für drei -Gulden kauft, die unter Brüdern zwanzig und fünfundzwanzig Gulden wertst ist. Meinst Du denn, die Banqüiers in Krakau sind Narren, daß sie für eine Sache, die nichts Werth ist, fünf­undzwanzig Gulden zahlen? Und wenn Rabbi Löb nun das Loos gar nicht nach Krakau schickt, sondern es behält und mir aus seiner Tasche die fünfundzwanzig Gulden zahlt, und es kommt heute über drei Wochen mit 300 000 Gulden heraus, so gehören sie Rabbi Löb Lemberger und Du hast Dich und Deine Kinder um diese Summe gebracht! Willst Du das ver­antworten?"

Gitel war betroffen von der ungewöhnlichen aufbrausen­den Heftigkeit, mit welcher Fankel diese Argumente geltend machte. Mehr als sie es wußte, ahnte sie aus diesem Gebühren, wie die Sucht nach Reichthum sich schon so tief in das sonst so edle Herz des Gatten eingefressen hatte.

Sie schwieg und weinte zwei große Thronen, die Fankel bestimmten, für dieses Mal abzubrechen. Aber am anderen Tag ging der Streit von neuem los und steigerte sich von Tag zu Tag während der drei Wochen, die zwischen der Ziehung -lagen. Der Frieden und das Glück dieser Familie, welche durch jede gemeinsam getragene Sorge und Arbeit seit zwanzig .Jahren von Tag zu Tag mehr gefestigt wurden, waren durch die bloße Möglichkeit der Aussicht auf Reichthum in wenigen Tagen auf's ernstlichste gefährdet.

So kam der Ziehungstag heran. Fankel hatte sich wäh­rend dieser Zeit nicht mehr bei Rabbi Löb Lemberger blicken lassen. Dieser schien die ganze Sache vergessen zu haben, als -an dem entscheidenden Mittwoch Morgens früh nach dem