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^nsere Erzählung führt uns in das Arbeitscabinet eines der Mächtigsten unter den Mächtigen der Erde, zu Kaiser Nikolaus. Der Czar ging mit finster gerunzelter Stirne hastig auf und ab und verrieth durch jede Bewegung, daß es er'nste Gedanken und Anliegen wären, die seine Seele beschäftigten. Er hatte soeben einen Brief an den König von Prmßen geschrieben, in welchen er ihn um Ueberlassung von vier zuverlässigen, kräftigen Unteroffizieren ersuchte, die ihm bei den kalten Einreibungen assistiren sollten, die ihm vom Arzte empfohlen waren. Er habe, so schrieb er seinem königlichen Vetter, auch in St. Petersburg kräftige Leute genug, aber keinen, dem er sich zuverlässig anvertrauen könnte, keiner, bei dem er entkleidet ohne Waffen statt der Einreibung nicht rücklings einen Todesstoß zu riskiren hätte. Der Mächtige, vor dem Europa zitterte, fürchtete seine nächste Umgebung und hatte gewiß alle Ursache dazu. Dieser schroffe Gegensatz zwischen unbeschränkter äußerer Machtslllle und thatsächlicher Furcht und Machtlosigkeit mußte zersetzend auf Geist und Charakter des Mannes wirken, der unter diesem Widerspruch Tag für Tag zu leben und zu wirken berufen war.
Es gehörte seitens des Czaren ein großer Aufwand von Energie, Rücksichtslosigkeit, Barschheit und Willkür dazu, um die nächste Umgebung über seinen inneren Seelenzustand zu
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