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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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um dasFest unserer Freiheit" war es, als im Jahre 48 der Freiheitssturm in Frankreich losbrach und durch ganz Europa raste. Ich glaube, daß die wichtigsten Erschütterungen und Umwälzungen, die sich je voll­zogen, immer in die Märztage, d. h. in die Jahreszeit fielen, in welcher auch alljährlich die Befreiung der Natur von dem Banne des Winters sich vollzieht, und um welche Zeit ja auch vor Jahrtausenden die jüdische Freiheitsstünde schlug.

Der Freiheitsstürm vor fünfzig Jahren hat viel ver­rottete Vorurtheile, viel Unrecht und viele Gewalt hinwegge­fegt, aber er hat auch die Tiefen des Volkslebens aufgewühlt und dabei vielen Schlamm zu Tage gefördert, indem er die niedrigsten Instinkte entfesselte. Die Juden, diese ältesten Bannerträger der Freiheit, hatten von den Geburtswehen der jungen Freiheit überall zu leiden, besonders aber im Elsaß, dem Lande, das den französischen Freiheitssturm aus erster Hand hatte und seiner elementaren Macht daher am meisten ausgesetzt war. Äußer dem Mißjahr, das dem Jahre 48 vor­angegangen war, enthielten die eigenartigen sozialen, politischen und ökonomischen Zustände im Elsaß Keime der Mißstimmung und Unzufriedenheit in reicher Fülle, die unter dem Strahl der aufgehenden Freiheitssonne als blutige Drachenfaat auf­gingen. An den wehrlosen Juden kühlten dir Mißvergnügten und Unzufriedenen des großen Trosses ihr Müthchen zuerst.