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Plündernd und oft auch mordend zogen ganze Banden bewaffneter Müßiggänger von Dorf zu Dorf und entschuldigten ihre Freiheiten durch die Freiheit, deren Aera nun angebrochen sei.
Am Ere'w Peßach des Revolutionsjahres verbreitete sich in der damals noch zahlreichen Gemeinde des Dorfes U. das Gerücht, daß ein Hausen „Ausrührer" im Anzug sei. Es schwirrten aber damals so viele Gerüchte umher, die sich dann als haltlos erwiesen, daß man der Nachricht anfänglich keinen Glauben beimaß. Aber, als man eben am Abend sich anschickte, in die Synagoge zu gehen, kam der Frachtsuhrmann Braun mit feinem Fuhrwerk in's Dorf gefahren und bestätigte die Nachricht. Sie waren seinen Pferden in die Zügel gefallen und wollten den Wagen plündern. Mer der Anführer der Rotte meinte, es sei eine Thorheit, jetzt sich mit der schweren Beute zu belasten, da sie ja in einer Stunde ohnedies im Dorfe seien und er Fuhrmann fahre ihnen die schweren Frachtstücke bequemer hin, als sie von den Ausständigen befördert werden könnten. Sie begnügten sich mit einem Faß Wein, das sie vom Wagen rissen und das sie auf offener Landstraße austranken.
„Der Trunk," meinte der alte Frachtfuhrmann, „wird sie schon einige Stunden aufhalten, aber in zwei bis drei Stunden sind sie sicher da. Sie haben jedes Stück ausgeschrieben und mich zu erschießen gedroht, wenn ein einziges Frachtstück bei ihrer Ankunft fehlt."
„Wie stark schätzt Ihr den Haufen?" fragten die bestürzten Synagogenbesucher.
Es sind zum wenigsten zweihundert Mann, zum Theil mit Flinten und Pistolen, größtentheils aber mit Aexten, Sensen und Dreschflegeln bewaffnet. Aus Euch Inden haben