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Heute früh vor Beginn des Tages wußte sie nicht, woher sie Brod und Holz für sich und ihre Kleinen nehmen solle, und sie glaubte in ihrer Verzweiflung, so unglücklich und verlassen sei kein Mensch auf Erden, wie sie und ihre frierenden, hungernden Kinder. Und jetzt hatte sie das alles in Hülle uUd Fülle und war doch unglücklicher, als zur Zeit ihres Mangels. Heute Morgen um sieben waren sie noch arm und ehrlich, und eine halbe Stunde später hatte sie 30 000 Gulden und dafür einen Tieb und Betrüger zum Manne. Ihr Simon ein Dieb? Nein, er ist ja ein Baal Teschuba, er hat ja seine unsinnige That sofort bereut, die Menschen halten ihn für ehrlich, und Gott, der ihn für die Frevelthat sofort so schwer züchtigte, wird gewiß seine Teschuba angenommen und ihm Verzeihung gewährt, wie sie selber ihm alles vergeben und verziehen hatte. Aber unter ihren Fußsohlen brannte das Gieheimniß, ein dünnes Brett trennte sie von ihm, ein dünnes Brett verhüllte den Fehltritt ihres Mannes, wenn man in der Judengasse wüßte, was dieses dünne Brett verbirgt, würde man ihr dann auch noch die Theilnahme und Unterstützung zuwenden, welche ihr alle entgegen brachten? Und ihr Mann im Gesängniß, was wird aus ihm werden? Was könnte sie thun, um ihm zu helfen? Das Geld zurückbringen, hätte viele Jahre schweren Gefängnisses für ihren armen Mann, für den Ernährer ihrer Kinder zur Folge, zöge für ihren ohnedies so unglücklichen Gatten die Verachtung der ganzen Judengasse nach sich, und-das Geld behalten, hieße als Hehlerin Antheil an dem Verbrechen nehmen, das sie doch aus tiefster Seele verabscheute. Und wenn man wieder und wieder käme, um Haussuchung vorzunehmen, wer bürgte dafür, daß die findige Kriminalpolizei nicht doch das gestohlene Gut fände?
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