Der leicht positive Trend bei der Graugans ist ebenfalls das Resultat verschiedener sich addierender Faktoren. Neben dem Vorteil weitgehend ungestörter Brutmöglichkeiten in Schutzgebieten sind es vor allem die günstigeren Ernährungsbedingungen an den Sommersammel-, Mauser- und Herbstrastplätzen und im Winterquartier. Hinzu kommen neue Strategien beim Mauser- und Herbstzug. Den bestandsfördernden Faktoren wirken starke Bejagung und aperiodische extreme Trockenheit im Winterquartier entgegen. Diese Faktorenkombination gilt mit Ausnahme der Jagd auch in vergleichbarer Weise für den Kranich.
Schnatter- und Löffelente haben nur regional zugenommen, und zwar an eutrophen Gewässern mit ausgedehnten Schwimmblattzonen. Beide Arten profitieren von den sich dadurch ergebenden besseren Ernährungsmöglichkeiten. Die Brandente, die sich vor 10 Jahren mit ersten Ansiedlungen als neuer Brutvogel ankündigte, nahm lokal zu und weitete das Areal aus. Sie wanderte längs der Oder und der Elbe ins Binnenland ein, begünstigt durch den hohen Bestand an der Nord- und Ostseeküste.
Beim Habicht hat sich die Unterschutzstellung positiv ausgewirkt. Die Mortalitätsrate ist seitdem gesunken. Auch die Ernährungsbedingungen haben sich verbessert. Diese sind der ausschlaggebende Faktor für die explosive Zunahme des Rotmilans, der das größere Beuteangebot in der intensiv genutzten Agrarlandschaft nutzt(Dazu gehören nach A. SCHMIDT auch tote Fische und totes Wild nach Häckslerernte). Begünstigt wird die Zunahme nach Aufgabe der Jagd im Hauptüberwinterungsgebiet Spanien (H. HAUPT). Beim Seeadler addieren sich erhöhte Fortpflanzungsrate als Ergebnis strengen Horstschutzes, nachlassende DDT -Verseuchung der Landschaft und erhöhtes Nahrungsangebot an intensiv bewirtschafteten Seen und Teichen. Für den Fischadler, dessen Brutpaarzahl sich im frühe ren Bezirk Potsdam zwischen 1975 und 1985 fast verdreifachte(1985 23 BP),(RUHLE 1985). Die Art erreicht hier die südwestliche Arealgrenze des mitteleuropäischen Brutgebietes. Zentren des Vorkommens sind der Spreewald und die Niederlausitzer Teichlandschaft. Der Schreiadler scheint seinen Bestand zu halten. Ob sich allerdings die von ROBEL(1985) vermutete Ausbreitungstendenz bestätigt, muß erst die Zukunft erweisen.
Bei der Lachmöwe, die nach A. SCHMIDT in Ostbrandenburg abnimmt, liegen die Ursachen für die Zunahme in der allgemeinen Landschaftseutrophierung. Für Ubiquisten ist Nahrung reichlich vorhanden und leicht zu erwerben(bspw. Mülldeponien). Hinzu kommt der Vorteil, der sich aus dem Schutz der Brutkolonien ergibt, unabhängig davon, ob sie sich in Schutzgebieten befinden oder nicht. Das trägt zur Sicherung hoher Fortpflanzungsraten bei.
In Kolonien brütende Vogelarten werden in der Regel durch den Naturschutz stärker be günstigt als andere Arten(Einrichtung von Schutzgebieten), was den evolutiven Vorteil dieser Fortpflanzungsstrategie verstärkt. Es ist keinesfalls zufällig, daß viele im Bestand zunehmende Vogelarten Koloniebrüter sind. Lernfähige Arten mit komplexen Sozialstrukturen, z. B. Kranich und Graugans, passen sich ebenfalls besser an veränderte Umweltbedingun gen an als andere Arten.
2.2. Passeres Bei den meisten Singvogelarten treten Bestandstrends weniger deutlich hervor als bei den Non-Passeres. Großflächige Zählungen sind kaum möglich, Siedlungsdichteuntersuchun gen vermitteln wichtige Hinweise, doch sie erfolgen nur sporadisch. Für Aussagen über den Faunenwandel sind letztere nur brauchbar, wenn mit gleichbleibender Methodik und über längere Zeit(5 bis 10 Jahre) im gleichen Gebiet untersucht wird. Aus Brandenburg fehlt derartiges Material. Wir sind also über die wenigen wissenschaftlich gesicherten