90 LANGGEMACH, T.& P. SÖMMER: Situation und Schutz der Adlerarten
sowohl längeres Ansitzen als auch thermikbegünstigtes Überstreifen eines größeren Jagdrevieres werden gestört. Der Jagdflug selbst ist recht energieaufwendig; zudem ist nur ein relativ geringer Anteil der Beutestöße erfolgreich. Daher sind zusätzliche Störungen in jedem Fall nachteilig.
Es ist noch einmal zu betonen, daß beim Seeadler weit mehr als bei anderen Greifvogelarten Ungestörtheit auch außerhalb der Brutsaison wichtig für die Stabilität der Reviere ist. Die Paare zeigen ganzjährige Brutplatzbindung, die lediglich in der Zeit zwischen dem Flüggewerden der Jungen und der Auflösung des Familienverbandes(Juli/August) abschwächt. Jeglichen gezielten Aktivitäten in den Revieren müssen also entsprechende Abwägungen vorausgehen!
3.3.2. Beeinträchtigung des Lebensraumes
Jene Gefährdungen oder Beeinträchtigungen, die im Zusammenhang mit dem Horstbereich genannt wurden, betreffen auch die anderen(und viel größeren) Teile des SeeadlerLebensraumes. Dies wird häufig vergessen, wenn z.B. die Schutzwürdigkeit von Gebieten nur am Vorhandensein oder Fehlen von Brutplätzen gemessen wird. Ebenso wichtig sind weitgehend ungestörte und unzerschnittene Jagd- und Ruhegebiete, die daneben über die notwendigen Habitatrequisiten, wie etwa geeignete Sitzwarten, verfügen. Der Unterschied ist allein der, daß Störungen hier nicht so direkt wirken und sich nicht unmittelbar, z. B. im Aufgeben der Brut, äußern. Für die Kondition der Tiere und eine erfolgreiche Reproduktion sind jedoch Faktoren wie Streß, Angebot und Verfügbarkeit von Nahrung ebenfalls wichtig. Im Jahreszyklus fallen Gipfel der Aktivität und des Energiebedarfes bei den Adlern zeitlich mit einem Maximum an Naturnutzung durch den Menschen zusammen. Energetische Engpässe wirken möglicherweise dramatischer im Juni, wenn die Adler unter den Bedingungen ständiger Störungen ein oder zwei Junge zu ernähren haben, als in der Zeit des Winters, die der Mensch allgemein mit Notsituationen assoziiert. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß räumlich eingeschränkte Seeadlerreviere gegenüber menschlichen Aktivitäten besonders verwundbar sind (vgl. MC GARIGAL et al. 1991).
Großräumige Landschaftsveränderungen sind heute vielerorts erkennbar. Hierzu zählen beispielsweise der Ausbau des Straßennetzes, Teststrecken für die Autoindustrie und eine zunehmende Zahl kleiner Flugplätze, die einen immensen Teil des Luftraumes beeinflussen. Beispiele für die Aufgabe solcher Jagdgebiete sind bekannt. In der Konsequenz führen massive und anhaltende Veränderungen des Lebensraumes auch zur Aufgabe von Brutplätzen des Seeadlers.
3.3.3. Direktverluste an Individuen
Die direkten Verlustursachen von Einzeltieren haben in den vergangenen Jahrzehnten graduelle Verschiebungen erfahren. Abb. 3 gibt einen Überblick über die Situation zwischen 1946 und 1996. Die Angaben von OEHME(1966) beziehen sich dabei auf das gesamte damalige DDRGebiet, wobei die meisten Adler aus Mecklenburg , gefolgt von Brandenburg , stammen.
Es wird ersichtlich, daß die bewußte Nachstellung durch den Menschen heute weitgehend zurückgedrängt ist(auch bei den Zahlen für die Schorfheide wurden sechs von sieben Adlern bis 1960 geschossen). Selbst bei Annahme einer Dunkelziffer ist hier ein deutlicher