Heft 
Band 4 Heft 1/2
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OTIS 4(1996) 1/2: 78-143

schnelle Wechsel von Förstern in einem Revier dar, was gegenwärtig eine größere Rolle spielt als in der Vergangenheit. Das Fällen des Horstbaumes tritt hinter forstliche Maßnahmen in der weiteren Horstumgebung weit zurück und hat seit Jahren keine Bedeutung mehr.

Indirekte Beeinflussung seitens der Forstwirtschaft ist dort gegeben, wo keine geeigneten Althölzer zur Horstanlage vorhanden sind. Jüngere Bestände werden zwar im Notfall als Brutplatz genutzt, es kommt jedoch dort eher zu Hostabstürzen als auf älteren, stabileren Bäumen. Weitere Bestandsverjüngung durch übertriebenen Abtrieb würde für den Seeadler die Bedingungen für den Horstbau verschlechtern. Die Zusammenarbeit mit der Forstwirtschaft ist beim Seeadlerschutz unverzichtbar; der Bewirtschafter des Waldes trägt die Hauptverantwortung für den Schutz des Seeadlers.

Als Störkategorien wurden in Brandenburg ferner festgestellt: Jagdausübung, Tourismus, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Wald, Straßen- und Schienenbaumaßnahmen, Aktivitäten von Kartierern, Biologen, Hobby-Fotografen usw. Zu Beginn der Brutzeit stellen alljährlich in bestimmten Revieren Abwurfstangensucher eine Störquelle dar. Unterschiedliche Ansichten gibt es zum Grad der Störwirkung von Flugobjekten; einheitlich ist hingegen die Auffassung, daß tieffliegende Hubschrauber, Flugzeuge, Ballons usw. im direkten Brutgebiet eine gravierende Störquelle darstellen(vgl. auch OEHME et al. 1992/93). Eine Wichtung dieser verschiedenen Einflüsse ist insgesamt schwierig, da keine so detaillierte Auswertung auf Landesebene möglich ist wie in Schleswig-Holstein , wo durch die langjährige Horstbewachung eine Fülle von Informationen zusammengetragen wurde. Dieser Weg ist in Brandenburg nicht vorgesehen und auch kaum möglich, so daß man auf die Hinweise angewiesen ist, die es im Rahmen der wenigen nötigen Horstkontrollen gibt. Eine Auswertung für die Region Frankfurt (Oder )(A. STEIN, schr.) nennt folgende registrierte Störungsursachen: Forstarbeiten(13), Besucherverkehr, teils motorisiert(7), Flugverkehr(5), Fischerei/Angeln(4), J agd(3), Straßen­und Wegebau(2), sonstige Aktivitäten(4). Wenngleich der Verdacht einer Aushorstung von Jungvögeln in mehreren Fällen entkräftet werden konnte, gab es offensichtlich eine solche im Jahr 1994.

Einiges spricht dafür, daß Störungen insgesamt zunehmen, wobei dies für verschiedene Störkategorien in besonderem Maße gilt. Beispielsweise spielten faunistische oder wissenschaftliche Arbeiten als Störquelle früher kaum eine Rolle, während heute unkoordinierte Forschungsarbeiten zu den verschiedensten Themenkreisen(auch im Rahmen von Planungen) immer wieder als solche genannt werden. Ebenso ist zu erkennen, daß die Anderung jagdlicher Strukturen zu neuen Störpotentialen führt: gebietsfremde Jagdausübungsberechtigte mit nur geringem emotionalen Bezug zur Landschaft und zur Region verhalten sich durchschnittlich anders als Jäger, die dort aufgewachsen sind und Belange des Artenschutzes im allgemeinen anders wichten. Ungünstig ist die Kopplung der Jagd an finanzielle Zwänge, was egoistisches Verhalten begünstigt.

Der Fremdenverkehr spielt regional eine zunehmende Rolle, besonders dort, wo aus der Notwendigkeit heraus neue Aufgabenbereiche für die ortsansässige Bevölkerung erschlossen werden. Im Extremfall wurden durch Tourismus-Unternehmen Öffentliche Fahrten zu Adlerhorsten angeboten. Problematisch ist die große Mobilität der Besucher(ebenso aber auch der Einheimischen) und leider auch die Möglichkeit, vielerorts selbst in entlegene Ecken mit dem Kraftfahrzeug vorzudringen. Dies wird durch fehlende Sperrschilder, offene Schranken und mangelnde Konsequenz bei Verstößen gegen das Waldfahrverbot begünstigt. Starke touristische Landschaftsnutzung wirkt sich vor allem an Gewässern aus(Bootsverkehr, Angler, Badebetrieb usw.). Sie ist insgesamt für Seeadler schwerwiegender als für andere Arten, zum einen aufgrund der hohen Fluchtdistanz von meist über 400 Metern, zum anderen aufgrund der Jagdstrategie: