104 LANGGEMACKH, T.& P. SÖMMER: Situation und Schutz der Adlerarten
Im deutschen Teil des Verbreitungsgebietes befinden sich die Horste überwiegend auf Laubbäumen, vor allem auf Erle, Buche und Eiche. In Brandenburg wurden seit 1990 als Horstbaum je 14 x Schwarzerle und Eiche, 6 x Kiefer, 3 x Birke, je 2 x Rotbuche und Fichte sowie je 1 x Sommerlinde und Lärche festgestellt. Ältere Quellen von GENTZ(1975) und FISCHER(1983) nennen 11 x Buche, 8 x Eiche, 5 x Erle, je 3 x Kiefer und Birke, 2 x Ulme und je 1 x Fichte und Lärche. Auch bei DITTBERNER(1996)(Uckermark ) rangiert die Buche mit 22 x an erster Stelle, gefolgt von Eiche(9 x), Erle, Kiefer(je 3 x), Birke, Esche und Fichte(je 1 x). Die Horste zweier brandenburgischer Paare, die WENDLAND(1951) beschreibt, standen überwiegend auf Kiefer , selten nur auf Erle, Birke oder Fichte. Diese Bevorzugung der Kiefer kann durch die lokalen Bedingungen, aber auch individuell bedingt sein; im allgemeinen sind die Brutpaare nicht auf eine Baumart fixiert. Nicht wenige Paare bauen alljährlich ein neues Nest in der Nähe des alten und dies auf Bäumen verschiedener Arten. So wird auch zwischen Laubund Nadelbäumen gewechselt. Auch werden Horste anderer Arten ebenso wie angebotene Kunsthorste genutzt. Die Wechselhorste eines Paares können bis zu zwei Kilometer voneinander entfernt sein, im allgemeinen ist der Abstand aber deutlich geringer.
Wichtiger als die Horstbaumart sind offenbar die Möglichkeit, den mittelgroßen Horst errichten zu können, und die Bedingungen des Horstumfeldes. Hierzu zählen Ungestörtheit, hoher Laubholzanteil und die Dichte des Brutwaldbestandes. Wenngleich freier An- und Abflug vom Horst erforderlich sind, befinden sich Horste- im Gegensatz zum Seeadler- seltener im lichten Bestand. Stärker durchforstete Bestände werden gemieden, es sei denn, ein traditionelles Brutrevier verändert ganz allmählich seinen Charakter. Mittelfristig ist dann jedoch die Aufgabe des Revieres abzusehen, bestenfalls kommt es zum Horstplatzwechsel.
Der Faktor Ungestörtheit ist in seiner Verhältnismäßigkeit zu sehen. Unzugängliche Erlenbrüche, in denen zur Zeit der Eiablage das Wasser bis zu einen Meter hoch steht, kommen den Sicherheitsansprüchen der Tiere natürlich mehr entgegen als die heute vorhandenen devastierten Reste solcher Bestände. Horste in nur vier bis sechs Meter Höhe in solchen Optimalbeständen(WENDLAND 1959) sind gegenwärtig als Ausnahme anzusehen. Heute ist ein nicht geringer Teil der Brutpaare mehr oder weniger störungsexponiert. Die relative Unempfindlichkeit einzelner Paare gegenüber Beunruhigungen ist aber möglicherweise eine wesentliche Voraussetzung für das Überleben der Art in der Zukunft. So gibt es erfolgreiche Brutreviere auch in der Nähe von stark befahrenen Straßen oder Ortschaften, sofern davon keine zu großen Beeinträchtigungen für die Vögel ausgehen. Gegenüber regelmäßigen menschlichen Aktivitäten, z.B. landwirtschaftlichen Arbeiten, zeigen die Adler mitunter große Toleranz. Für den Brutverlauf folgenschwer können jedoch Störungen am Horst sein, die für den Adler nicht kalkulierbar sind, d.h. plötzliche, unvorhergesehene Störungen, die vom gewöhnlichen Reizpotenial abweichen, ebenso aber auch Dauerstörungen. Vorteilhaft wirkt sich offenbar aus, daß die Brutreviere des Schreiadlers touristisch häufig wenig attraktiv sind(vor allem wohl durch das Fehlen größerer Gewässer).
Neben dem Brutplatz ist die Qualität des Nahrungsrevieres für den Schreiadler entscheidend. Reviere, in denen Brut- und Nahrungsraum weitgehend zusammenfallen, wie von WENDLAND (1958) für zahlreiche Paare beschrieben, dürften als Optimum gelten. Telemetrische Untersuchungen in Mecklenburg- Vorpommern zeigen für das bevorzugte Nahrungsrevier einen mittleren Radius von einem Kilometer in der Zeit von April bis Juni und von drei Kilometern ab etwa Ende Juni. Darüberhinaus wurde für gelegentliche Nahrungsflüge ein Raum mit dem Radius von drei Kilometern im ersten und fünf bis sechs Kilometern(maximal dreizehn) im zweiten Abschnitt der Brut- und Aufzuchtzeit genutzt(SCHELLER& BERGMANIS 1996). Die