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Band 4 Heft 1/2
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106 LANGGEMACH, T.& P. SÖMMER: Situation und Schutz der Adlerarten

Art angesichts der geringen Brutpaarzahl und des unklaren Bestandstrends nach wie vor in der Kategorie"Vom Aussterben bedroht". Zu den Einstufungskriterien zählen ferner die enge ökologische Bindung der Art und die große Störungsempfindlichkeit(DÜRR et al. 1997). Im europäischen Maßstab wird die Art als"rare" geführt(TUCKER& HEATH 1994).

4.3.1. Beeinträchtigung des Lebensraumes

Geeignete Brutreviere sind Grundvoraussetzung für den Reproduktionserfolg. Noch mehr als bei Fisch- und Seeadler kommt es beim Schreiadler darauf an, die vorhandenen Brutvorkommen in der Gesamtheit von Horst- und Nahrungsrevier zu erhalten und zu schützen. Dies hängt mit biologischen Besonderheiten der Art(komplexe Habitatansprüche, große Brutreviertreue) zusammen, andererseits damit, daß das noch vorhandene Angebot an geeigneten Lebensräumen kaum ein Ausweichen der Brutpaare zuläßt. Die heutigen Reviere sind teilweise seit mehr als sechzig Jahren bekannt!

Als Hauptursache für die Gefährdung des Schreiadlers müssen Veränderungen des Lebensraumes angesehen werden. Dazu rechnen gleichermaßen Veränderungen im Bereich der Nahrungsflächen und solche in den Brutwäldern. Während Holzeinschlag(zumindest in dem Förster bekannten Horstrevieren) heute eine geringere Rolle spielt, sind Strukturveränderungen der Waldbestände unverändert im Gange. Dies sind zum einen langfristige Veränderungen, die mit großräumiger Wasserabsenkung zusammenhängen, andererseits aber auch eine insgesamt hohe Nutzungsintensität in den Forsten. Dabei kann dem Schreiadler u. U. seine heimliche Lebensweise zum Verhängnis werden(vgl. Abb. 8 im Fototeil). Brutpaare, die durch einen hohen Schutzstatus des Brutgebietes von forstlicher Nutzung völlig unberührt sind, sind in der

Minderheit. Insgesamt erscheinen die Rahmenbedingungen, die durch die Situation in der Forstwirtschaft gegeben sind, heute weniger kalkulierbar als in der Vergangenheit, weil marktwirtschaftliche Zwänge relativ kurzfristiges Reagieren erfordern. Gleichfalls führt die Überführung von Wäldern in Privatbesitz zu Unwägbarkeiten.

Veränderungen des Wasserregimes hatten bis in die achtziger Jahre Hochkonjunktur und waren erklärtes Ziel im Rahmen der Intensivierung der Landwirtschaft. Während es früher teils gigantische Großprojekte der Melioeration waren, ist heute die Vielzahl der Einzelvorhaben bedenklich, die mit Wasserabsenkungen einhergehen. Daneben wird der Grabenpflege zur Gewährleistung der Vorflut immer noch eine anachronistische Bedeutung beigemessen. Eine Trendwende ist, trotz anderslautender naturschutzpolitischer und planerischer Bekenntnisse, z. B. in Landschaftsrahmenplänen, nicht in Sicht, wenn auch Einzelprojekte zur Wiedervernässung Möglichkeiten aufzeigen.

Mit der Entwässerung geht eine zunehmende Intensität der Bewirtschaftung einher. Die negativen ökologischen Folgen dieses komplexen Nutzungswandels sind zur Genüge bekannt und müssen hier nicht im Detail besprochen werden. Die Folgen für den Schreiadler sind vielfältig. Das Nahrungsangebot reduziert sich allmählich und teilweise in der Folge auch die Verfügbarkeit der noch vorhandenen Nahrung. Parallel dazu vollzieht sich die zunehmende Erschließung durch Straßen und Wege. Einst unbegehbare Feuchtgebiete werden heute durch Land- und Forstwirtschaft, Jäger, Erholungssuchende und andere Nutzer der Natur in hohem Maße frequentiert und bedeuten ein zunehmendes Störpotential im Jagdgebiet des Schreiadlers ebenso wie im Brutrevier. Die Aufgabe solcher Brutreviere vollzieht sich ganz allmählich und kann sich über einem Zeitraum von bis zu zehn Jahren erstrecken. Sie äußert sich in zunehmendem Ausfall der Reproduktion, dauerndem Horstplatzwechsel, schließlich völliger