OTIS 4(1996) 1/2: 78-143
Aufgabe des Brütens und Fernbleiben des einen und bald auch des zweiten Brutpartners (MATTHES& NEUBAUER 1989). Entsprechenden Anzeichen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Möglicherweise hat in der Vergangenheit auch die Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzung zur Entwertung einzelner Schreiadlerreviere beigetragen. Kleinräumig strukturiertes Feuchtgrünland, vor Jahrzehnten noch individuell genutzt, aber für die Bearbeitung mit Großmaschinen nicht geeignet, wurde zunehmend aufgegeben und ist heute als Weidenröhricht oder Erlenbruch für den Schreiadler nicht mehr als Jagdgebiet geeignet. Derselbe Vorgang beginnt seit einigen Jahren mit der Umstrukturierung der Landwirtschaft von neuem; Nahrungsflächen, die vor wenigen Jahren noch der Bewirtschaftung unterlagen, sind heute dabei, sich in Hochstaudenfluren umzuwandeln. Bis zu diesem Stadium sind Ackerbrachen ebenso wie ungenutzte Ackerrandstreifen sogar noch ausgesprochen wertvolle Nahrungsreviere für den Schreiadler und zählen zu den meistgenutzten Flächen(SCHELLER, mdl.). Beim Übergang zur Verbuschung dürften sie dann aber zunehmend wertlos werden. Bei aufgelassenen Wiesen vollzieht sich der Übergang zu hohen, dichten Distel- und Brennesselfluren schneller, so daß diese kaum vom Schreiadler genutzt werden(SCHELLER, mdl.).
Als weitere Form der Entwertung von Schreiadlerlebensräumen hat sich gebietsweise die unqualifizierte Freilandhaltung von Rindern erwiesen. Durch das Einkoppeln von Waldrändern, Feldgehölzen, Gräben usw. kam es lokal zu starken Strukturverlusten. Im Rahmen von Extensivierungsprogrammen und ökologischen Zielsetzungen ist dies besonders fatal und geeignet, naturschutzstrategische Bemühungen unglaubwürdig zu machen. Eine besonders grobe Veränderung eines Schreiadlerreviers stellt die Errichtung einer bäuerlichen Hofstelle ("Aussiedlerhof") 400 m entfernt von einem besetzten Horst dar. Auch hier lag ökologisches Lippenbekenntnis seitens des Landwirtes vor, welches wohl das privilegierte Bauen im Außenbereich begünstigte. Nach Erteilung der Genehmigungen ist es heute schwierig, die touristische Vermarktung des Hofes zu reglementieren. Dies zeigt, wie wichtig es ist, daß alle Schreiadlerreviere bei den verantwortlichen Stellen bekannt sind; im vorliegenden Beispiel war das nicht der Fall. Es ist zu hoffen, daß die Zulassung eines"Aussiedlerhofes" keine Tendenz für das Land Brandenburg andeutet.
Gegenwärtig- und in der Zukunft wohl zunehmend- besteht eine große Gefahr in der Zergliederung heute noch wenig zerschnittener Landschaften. Damit gehen Lebensräume von Arten mit großen Raumansprüchen unwiederbringlich verloren. Großprojekte wie der Bau von Autobahnen und weiteren Stromleitungstrassen sind gerade für den Schreiadler verhängnisvoll. Der Bau der Bundesautobahn 20, die zwei der Dichtezentren des Schreiadlers in MecklenburgVorpommern durchschneidet(und Untersuchungsgebiete des BMBF-Projektes"Unzerschnittene Lebensräume" tangiert) wird die Folgen für den Arten- und Biotopschutz exemplarisch aufzeigen. Aber auch eine Vielzahl von kleineren Vorhaben trägt zur Zerschneidung bei, z.B. Verkehrsanbindung von Ortslagen, Verkürzung oder Ausbau von Ortsverbindungen, großzügig angelegte Umgehungsstraßen und touristische Erschließung attraktiver Gegenden.
Schließlich können Lebensraumveränderungen bei einer Zugvogelart auch in den Durchzugsund Überwinterungsgebieten eine Rolle spielen. Da der Schreiadler mehr als die Hälfte des Jahres südlich des Äquators verbringt und die ersten Lebensjahre wahrscheinlich vollständig dort lebt, sind entsprechende Einflüsse vielleicht von größerer Bedeutung als derzeit bekannt ist.