OTIS 4(1996) 1/2: 78-143
Diesem Ziel folgend und als Beitrag zur Umsetzung der EG-Vogelschutzrichtlinie, wird der Entwurf für ein Schutz- und Forschungskonzept des Schreiadlers in Brandenburg vorgestellt:
4.4.1. Lebensraumschutz
Anders als bei häufigeren Arten wie dem Mäusebussard ist beim Schreiadler jedes einzelne Brutvorkommen in seiner Gesamtheit zur Basis aller Betrachtungen zu machen. Die Sicherung der Horstplätze allein ist nicht ausreichend, sondern muß durch den Schutz der Nahrungsreviere ergänzt werden(MATTHES& NEUBAUER 1987). In Anlehnung an SCHELLER& MEYBURG(1995) sind die Schutzmaßnahmen, die den Lebensraum betreffen, in drei Punkten zusammenzufassen:
* Verhinderung bzw. Einschränkung von Zerschneidungen der Landschaft,
R Erhaltung von reich strukturierten, insbesondere feuchten Lebensräumen,
7 Sicherung. von Ruhezonen in den Brutgebieten.
Die Verhinderung weiterer Zerschneidung der Landschaft steht ausdrücklich an erster Stelle. Sie muß als Grundprinzip des Schutzes von Tierarten mit großen Raumansprüchen gelten und ist Voraussetzung für alle nachfolgenden Schutzbemühungen. Dem wird in Brandenburg offiziell in der Raumplanung Rechnung getragen, indem landesweit Räume für entsprechende Tierarten ausgewiesen sind(ANONYM ohne Jahresangabe); auch in den Landschaftsrahmenplänen der Kreise ist dies weitgehend der Fall. Dies hat jedoch nur teilweise Konsequenzen für den praktischen Schutz. Im Detail treten Probleme z. B. durch zunehmende Frequentierung und schleichende Umwidmung einst wenig benutzter Landwirtschaftswege auf; daneben zeichnen sich andere Arten der Erschließung von Gebieten ab, die bisher weitgehend unzerschnitten waren. Die konsequente Sperrung für den Kraftfahrzeugverkehr in einem Brutgebiet mehrerer Schreiadlerpaare im Kreis Uckermark zeigt jedoch, daß bei entsprechendem Willen auch Möglichkeiten bestehen.
Wird bei planerischen Vorhaben ausschließlich das Vorkommen oder Fehlen von Brutstätten vom Aussterben bedrohter Arten zum Maßstab gemacht, ist abzusehen, daß im Ergebnis zwar die Brutplätze berücksichtigt sind, der Verlust an Lebensraum aber letztlich zur Aufgabe dieser Brutplätze führt. Unbedingt notwendig ist ein viel umfassenderer Ansatz, der auch eine gewisse Dynamik in Ökosystemen berücksichtigt und damit auch großflächig Freiräume für Brutplatzwechsel, Ersatznahrungsflächen, Ruhezonen usw. offenhält. Bei einem solchen Verfahren wird auch der Widerspruch zwischen dem Bemühen um Geheimhaltung der genauen Brutplätze und der planerischen Berücksichtigung derselben abgeschwächt. Eine Planung, die sich ausschließlich an vorhandenen Horsten orientiert und in der Umgebung allmählich alles erschließt, wird dem Artenschutz nicht gerecht. Selbst ein Ansatz, der darüberhinaus geht, ist bei uns im allgemeinen immer noch weit entfernt von dem amerikanischen Wildnis-Leitbild; der oft geäußerte Vorwurf, es würde nach Urnatur getrachtet, ist bestenfalls für eine verschwindend kleine Fläche von Totalreservaten zutreffend. Im übrigen gibt es in Brandenburg naturschutzpolitisch eine klare Orientierung auf das langfristige Miteinander von"Mensch und Biosphäre". Auch der Schreiadler ist eine Art, die in einer Kulturlandschaft überleben kann und bis zu einem gewissen Maß sogar dadurch gefördert wird.
Ob Schutzgebietsausweisungen für den brandenburgischen Schreiadlerbestand förderlich sind,