126 LANGGEMACKH, T.& P. SÖMMER: Situation und Schutz der Adlerarten
5.3.2. Lebensraumveränderungen
Für den Fischadler sind fast nur Beeinträchtigungen im näheren Bereich der Brutplätze bedeutsam, während gegenüber sonstigen Veränderungen im Lebensraum nur geringe Empfindlichkeit besteht. Außerhalb der Fortpflanzungszeit werden selbst gravierende Eingriffe innerhalb des Revieres im Rahmen"ordnungsgemäßer Forstwirtschaft" viel besser vertragen als etwa vom Seeadler, solange der Horstbaum erhalten bleibt und die Exposition zu Störquellen nicht zunimmt. Die Horstbäume selbst sind wohl für jeden Förster tabu, zumal viele so imposant sind, daß sie oft um ihrer selbst willen erhalten werden. Ein großes Problem sind geharzte oder völlig freigestellte Kiefernüberhälter, die die heute hohe Absterberate bei der Kiefer zusätzlich vergrößern. In der Regel fehlt in der näheren Umgebung adäquater Ersatz für verlorengegangene Brutbäume.
Der chronische Mangel an potentiellen natürlichen Brutplätzen durch frühere Wirtschaftsziele (bei der Kiefer Altersklassenwald mit Umtriebszeiten von 80 Jahren, nachfolgend Großkahlschläge) stellt heute erhöhte Anforderungen an das Engagement der Waldbewirtschafter für den Schutz des Fischadlers. Unter diesen Umständen ein attraktives Angebot an möglichen Horstplätzen zu erhalten und zu entwickeln, bedeutet eine Herausforderung, der sich bisher nur wenige Förster stellen. Fischadlertaugliche Bäume wirken gegenwärtig in den Wäldern wie Exoten. Prinzipiell können veränderte Produktionsziele und Wirtschaftsweisen im Walde jederzeit zu einer Gefahr für den Fischadlerbestand werden, zumal die Rahmenbedingungen in einer Marktwirtschaft schwer vorausschauend kalkulierbar sind.
Zerschneidungen des Lebensraumes durch Stromleitungstrassen stellen für den Fischadler kaum eine Gefahr dar und haben ihn in der Vergangenheit hinsichtlich des Brutplatzangebotes eher
begünstigt. Der Ersatz veralteter Konstruktionen von Freileitungsmasten durch DIN -gerechte, die für Fischadler ungeeignet sind, könnte sich für die Zukunft als Problem herausstellen.
5.3.3. Direktverluste an Individuen
Seit 1990 konnte die Naturschutzstation Woblitz Material über Verlustursachen sammeln (Tab.4).
Bei der Nestlingssterblichkeit wirken überwiegend die unter 5.3.1. beschriebenen Mechanismen. Darüberhinaus wurden bei zwei pulli erblich mißgebildete Fänge gefunden. In einem Falle wies ein lebender Nestling stark beschädigte Schwungfedern auf(Verdacht auf Unterdrückung durch das Geschwister, evtl. aggressive Außenseiterreaktion nach Vorschädigung). Nestjunge Fischadler verstricken sich gelegentlich in Erntebindegarn, welches von den Horstvögeln als Polstermaterial für die Nester verwandt wird. Außerhalb Brandenburgs wurden auch auf diese Weise entstandene Altvogelverluste registriert.
Flügge Jungadler oder gar Altvögel werden in der Nähe ihrer Geburts- und Brutorte nur selten tot gefunden. Dabei dominieren deutlich anthropogene Todesursachen. In der Auflistung unterrepräsentiert ist mit Sicherheit das Hängenbleiben in Netzen der Fischerei, da der Verursacher naturgemäß an Diskretion interessiert ist. Mündliche Aussagen von Fischwirten und Förstern bestätigen den Verdacht größerer Verluste.