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Band 4 Heft 1/2
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OTIS 4(1996) 1/2: 78-143 125

anzunehmen, wurden doch zahlreiche jagdliche Einrichtungen- vor allem bei Mastbruten- in unmittelbarer Horstnähe bzw. direkt am Mastfuß oder sogar im Horstmast(mindestens zwei Fälle!) errichtet. Mehrfach wurden Tätigkeiten im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Horstnähe registriert. Häufig werden solche Arbeiten kurzfristig angegangen und schlecht koordiniert. Besonders krass war die"Entschuldigung" eines Verantwortlichen, er müsse doch seine Leute beschäftigen. Ebenso rücksichtslos war das öffentliche Angebot von Busreisen zu Adlerhorsten durch ein Tourismus-Unternehmen in der Uckermark . Eine Auswertung von durch Horstbetreuer gemeldeten Störungen(A. STEIN, schr.) nennt für die Region Frankfurt/O . als Ursachen 8 x Besucherverkehr(je 4 x mit und ohne Kraftfahrzeug), 6 x Forstarbeiten, 4 x Jagd, 2 x Flugverkehr, je 1 x Errichtung eines Telekom - und eines Feuerwachturmes, 1 x ABM­Tätigkeit und 1 x Motocross. Das dabei erwähnte Einschießen einer Jagdwaffe in 375m Entfernung vom Horst ist ein besonders rücksichtsloser Fall einer jagdlichen Störung(JACOB, schr.).

Bei Störungen werden die Horstweibchen häufig veranlaßt, vom Nest aufzufliegen, welches normalerweise kaum verlassen wird. Die schutzlose Brut geht auf diese Weise schnell verloren. Im Falle einer vom Horstbetreuer sofort veranlaßten Horstbaumbesteigung wird dann ein Rabenvogel als Gelegeplünderer entlarvt. Dieser verhält sich allerdings völlig korrekt, wenn er sich an einem Horst vergeht, der sich als verlassen darstellt. In diesem Zusammenhang bedarf ein besonderer Umstand der Erwähnung. Nestjunge Fischadler haben nach Sektionsbefunden der Naturschutzstation Woblitz ein anfälliges Kreislaufsystem und neigen, namentlich in praller Sonne und unter Stress, zum Kollabieren. Die Schatten und Geborgenheit spendende Mutter ist auch hier unentbehrlich.

Die Empfindlichkeit der Brutpaare variiert innerhalb großer Grenzen. Junge, wenig synchronisierte Paare reagieren viel empfindlicher auf Störquellen als alte, etablierte und erfahrene. Paare, die als Brutplatz einen Stromleitungsmast in Ortsnähe gewählt haben, sind

störungstoleranter als Baumbrüter in abgelegenen Wäldern. Hier können bereits einzelne Störungen zur Brutplatzaufgabe führen. Allgemein gilt, daß unbekannte und wechselnde Störquellen gefährlicher sind als unspezifische Dauerstörquellen(z.B. Schießplatzbetrieb), die zur Reizgewöhnung führen. Die Ursachen für Brutverluste sind letztlich, abgesehen von Horstabstürzen, fast immer im Zusammenwirken mehrerer Ursachen zu suchen. Unter optimalen Bedingungen am Brutplatz kommen einzelne, auch anthropogene Störungen kaum zum Tragen,

Unmittelbare Brutverluste durch Arbeiten an Freileitungen bzw. Akzeptanzprobleme seitens der Energieversorgungsunternehmen scheinen inzwischen der Vergangenheit anzugehören, so daß sich heute in der Praxis immer Lösungen im Sinne des Adlerschutzes finden. Der Einsatz landwirtschaftlichen Gerätes in Horstnähe wird als weitgehend unspezifischer Reiz gut vertragen; ausgedehnte Frühstückspausen am Fuß des Horstmastes sind davon ausgenommen. Brutverluste durch Prädation spielen unter natürlichen Umständen kaum eine Rolle: Krähenvögel werden im Horstbereich vertrieben oder ignoriert, Seeadler und Habicht energisch vertrieben. Für einen Einfluß des Uhus an Fischadlerhorsten gibt es in Brandenburg bisher keine Hinweise. Säuger kommen aufgrund des Horststandes als Prädatoren weniger in Betracht. BARCZYNSKI(mdl.) fand 1995 in einem besetzten Masthorst frische Marderlosung in erheblicher Menge. Daß dieser Kommensalismus i.d.R. konfliktlos verläuft, belegt auch ROBITZKY(mdl.) anhand seiner Seeadlerstudien in Ostholstein . Hier werden Baummarder regelmäßig in und auf aktiven Horsten beobachtet,