Der starke Heimzug bzw. Einflug im östlichen Mitteleuropa (in Deutschland vor allem durch Brandenburg ) im Mai 1996(vgl. BARTHEL 1996) ging einher mit einem erheblichen Anstieg des Brutbestandes in Ostpolen im selben Jahr. So konnten die Verfasser Mitte Mai 1996 an nur vier Stellen des Süd- und Mittelbeckens der Biebrza-Niederung über 2000 Weißflügelseeschwalben(größter Trupp 800 Ind.) registrieren, in der 1. und 2. Junidekade wurden hier sogar ca. 5000 Ind. gezählt(J. Mundt, E. Herrmann-Brunke in DITTBERNER 1996). Der Brutbestand wurde hier auf ca. 3000 BP geschätzt(J. Mundt u.a. in DITTBERNER 1996), während der durchschnittliche Bestand der Vorjahre bei“nur” 400-700 BP lag.
Die für Deutschland bisher beispiellosen Tagessummen von mehreren tausend Individuen im Mai 1997(Barthel, schr.) fielen zusammmen mit Niedrigwassersituationen in den Flußauen im Osten und Südosten Polens . In den regelmäßig besetzten Brutgebieten der Weißflügelseeschwalben innerhalb der Niederungen von Bug, Narew und Biebrza mangelte es am Frühjahrswasser(Vf.; S. Weiß u.a.). So fielen sie vermutlich zum größten Teil als Brutgebiete aus. In der Warta-Niederung bei Küstrin schritten dagegen Weißflügelseeschwalben im überfluteten Grünland zur Brut(Vf.). Auch in Ungarn konnte ein relativ hoher Brutbestand registriert werden; mit über 200 BP war dies die höchste Anzahl seit 1977(G. Kovacs in BARTHEL 1997). Günstige Voraussetzungen(weiträumige, bis weit in den Juni hinein vernäßte, extensiv genutzte Grünlandbereiche) bestanden in Ostdeutschland wohl lediglich in der Havelniederung und im Havelländischen Luch. Die Polderflächen der Unteren Oder, wo 1996 u.a. die Weißflügelseeschwalbe brütete, waren in der potentiellen Ansiedlungszeit(Mitte Mai bis Mitte Juni) bereits großflächig abgepumpt worden, so daß hier kaum überstaute Grünlandbereiche vorhanden waren.
Neben einer deutlichen Bestandszunahme der Weißflügelseeschwalbe in Polen könnten 1997 also auch ein Mangel an geeigneten Bruthabitaten das Brüten der Art in Westbrandenburg gefördert haben. Mit Hilfe des Vertragsnaturschutzes werden hier seit Jahren durch Naturschutzstationen des Landesumweltamtes Brandenburg und des Regierungspräsidiums Magde burg konsequente und großflächige Wiedervernässungsmaßnahmen und eine extensive Bewirtschaftung auf mehreren tausend Hektar mit den örtlichen Landwirtschaftsbetrieben abgestimmt und durchgesetzt(HAASE et al. 1989, BLOCK et al. 1993, HAASE 1994). Während das Grünland im allgemeinen von Mitte Mai bis Anfang Juni abtrocknet, stehen einige Flächen Z.T. noch im Juli unter Wasser. Sie kommen dann in ihrer Struktur den Ansprüchen vieler, z.T. überregional bedrohter Arten(so auch der Weißflügelseeschwalbe) zur Zug- und/oder Brutzeit entgegen(s.a. HAASE& RYSLAVY 1997).
Es ist zu erwarten, daß die bemerkenswerte faunistische als auch floristische Entwicklung dieser Gebiete bei konsequenter Weiterführung der Gestaltungsmaßnahmen weitere“Überraschungen” bringen wird.