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Band 7 Heft 1/2
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56 LANGGEMACH.T.: Vogelverluste durch Erntebindegarn- ein kaum bekanntes Problem

Vogelverluste durch Erntebindegarn- ein kaum bekanntes Problem

TORSTEN LANGGEMACH

Zusammenfassung

Seit etwa 30 Jahren kommt in Deutschland synthetisches Garn zum Binden von gepreßtem Heu oder Stroh zum Einsatz und gelangt auf verschiedenen Wegen in die Umwelt. Zahlreichen Vorteilen dieses Materials stehen verschiedene Nachteile gegenüber: Probleme für Haustiere und Wild durch Verzehr(Konglobatbil­dung) und Verstricken(v.a. beim Damwild im Geweih), technische Probleme an Land-maschinen(Ver­heddern in rotierenden Teilen) und Probleme für die Vogelwelt. Vogelverluste erfolgen vor allem im Nestbereich, aber auch in der freien Landschaft.

Um erstmalig eine Größenordnung zu erhalten, erfolgte in Brandenburg eine Umfrage unter ausgewählten Ornithologen, vor allem Greifvogel- und Weißstorchspezialisten. Daneben wurden veröffentlichte Daten und eine Reihe übermittelter Informationen aus anderen Bundesländern ausgewertet. Im Rahmen dieser Umfrage wurden bisher 367 Fälle bei 34 Vogelarten zusammengetragen, davon 262 aus Brandenburg . Die Mehrzahl der Fälle betrifft den unmittelbaren Nestbereich, wobei hier besonders Jungvögel gefährdet sind. Vor allem bei Arten, die ohnehin gefährdet sind und deren Bestände abnehmen, sind Verluste durch Bin­degarn als zusätzliche Todesursache ein unnötiger Risikofaktor. Das betrifft vor allem den Baumfalken: trotz seiner Seltenheit und relativ schwierigen Erfaßbarkeit rangiert er in absoluten Zahlen an dritter Stelle nach Weißstorch und Kolkrabe. Ein Risiko besteht jedoch sogar für Arten wie Großtrappe, Schwarzstorch und Fischadler, wobei erstere aufgrund des kleinen Restbestandes besonders anfällig ist. Aus den Ergeb­nissen werden Schlußfolgerungen für Bindegarnproduzenten, Nutzer, Ornithologen und Naturfreunde gezogen. Es wird um die weitere Übermittlung aller bekannten Informationen gebeten.

1. Einleitung

Gegen Ende der 60er Jahre kam in der Landwirtschaft ein neuartiges Material zum Binden von gepreßtem Heu oder Stroh zum Einsatz. Das Polypropylen hatte gegenüber den vorher verwendeten Bindegarnen eine Reihe von Vorteilen: es war stabiler als Bast, gedrehtes Papier, Sisal oder Viskoseseide, hatte eine längere Haltbarkeitsdauer und ließ sich technisch besser in großen Längen herstellen. Zudem war es toxi­kologisch unbedenklich und mußte auch nicht zusätzlich gegen Verwitterung und Mäusefraß imprägniert werden- unter den bis dato eingesetzten Imprägniermitteln hatten die chlornaphtalinhaltigen bei Rindern bösartige Magen-Darm-Entzündungen, die sogenannte Bindfadenkrankheit, hervorgerufen und auch bei Menschen Erkrankungen ausgelöst(KÖHLER 1954, DEDIE et al. 1955). Nun schien eine völlig unbe­denkliche Neuerung gelungen.

Schon kurze Zeit später traten gehäuft Funktionsstörungen an Landmaschinen durch verheddertes Binde­garn sowie Verdauungsstörungen bei Rindern infolge von Knäuel- bzw. Konglobatbildungen auf(LEN­DER et al. 1976). Auf dieses Problem wurde schon frühzeitig durch das Rundschreiben 40/71 des damali­gen Landwirtschaftsministeriums der DDR hingewiesen. Parallel dazu wurden die Hersteller verpflichtet,

ein Merkblatt zu erstellen und zu verteilen, in dem die Entfernung des Bindegarns

vor dem Verfüttern und Einstreuen gefordert wird,

auf den Etiketten der Garnrollen entsprechende Hinweise zu geben und N

das Garn anzufärben, um das Herauslesen aus dem ballierten Erntegut zu erleichtern(LENDER et al. 1976).

Dennoch kam weiter Bindegarn in die Futterkrippen sowie in den Mist und gelangte über den Streumist wieder auf die Felder. Einzelne Fäden oder Fadenreste, aber auch ganze Knäuel blieben regelmäßig auch gleich bei landwirtschaftlichen Arbeiten am Feldrand liegen. Auch in der Forstwirtschaft kam zunehmend Bindegarn zum Einsatz, und auch hier wurde teilweise achtlos damit umgegangen.