Heft 
Band 7 Heft 1/2
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66 LANGGEMACHLT.: Vogelverluste durch Erntebindegarn- ein kaum bekanntes Problem

3. Diskussion

Die Umfrage bestätigte den Verdacht, daß Unfälle unter den Vögeln durch Bindegarn eine weit verbreitete Verlustursache sind. Nach dem Beginn des Einsatzes von synthetischem Bindegarn in der Landwirtschaft hat es offenbar eine Reihe von Jahren gedauert, bis eine gewisse Anreicherung in der Landschaft erfolgt war(vgl. auch REUSSE& SCHNEIDER 1985). Erst danach häuften sich die Verluste. Der größte Teil der registrierten Fälle stammt dementsprechend aus den neunziger Jahren. In größeren, zusammenhängen­den Waldgebieten wurden bisher kaum Probleme registriert, da Bindegarn in der Forstwirtschaft, zumin­dest in Ostdeutschland , erst seit kurzer Zeit eingesetzt wird. Bei sorglosem Umgang mit diesem Material kann auch hier mit zunehmenden Vogelverlusten gerechnet werden.

Da das Problem insgesamt diffus verteilt ist und seine Wahrnehmung fast nur im Rahmen gezielter Unter­suchungen(vor allem Nestkontrollen) gelingt, erscheint es dem einzelnen Ornithologen im allgemeinen nicht als schwerwiegend. Die Gesamtschau der registrierten Fälle zeigt hingegen eine ernstzunehmende Gefährdungsursache an. 367 Fälle wurden aufgelistet, davon 262 aus Brandenburg , wobei 34 Arten be­troffen sind. Die Mehrzahl der Fälle betrifft den unmittelbaren Nestbereich, wobei hier vor allem Jungvö­gel gefährdet sind. Von den 34 Arten ist für mindestens drei bekannt, daß sie selbst häufig aktiv Bindegarn oder dessen zerfasernde Zerfallsstadien in das Nest eintragen und dadurch sich und die Nachnutzer der Nester gefährden: Weißstorch, Kolkrabe und Aaskrähe. Bei diesen Spezies gibt es offenbar eine besondere Vorliebe für das in der Landschaft verstreute Material. Die Nester enthalten es mit großer Regelmäßigkeit und sind- insbesondere bei den beiden Corvidenarten- oft so stark damit durchsetzt, daß die Entfernung zum Zerfall des Nestes führen würde. Zahlreiche andere Arten bauen unregelmäßiger bzw. eher zufällig Bindegarn ein und sind auch in geringerem Maße gefährdet, u.a. Fischadler und verschiedene Singvogel­arten. Eine Reihe von Arten ist ausschließlich passiv betroffen, wobei es insbesondere beim Turmfalken und beim Baumfalken sowie bei der Waldohreule regelmäßig Verluste gibt. Daneben treten Verluste auch abseits von Nestern auf, bei der Großtrappe z. B. auschließlich dort.

Ein Vergleich der unterschiedlichen Gefährdung von Arten im Nestbereich ist möglich, wenn die Anzahl der Bindegarnopfer zur Menge kontrollierter Bruten ins Verhältnis gesetzt wird. Umfangreiches Material übermittelte freundlicherweise G. Klammer aus seiner Monitoringfläche in Sachsen-Anhalt (Tab. 2). Das unter Greifvogelberingern bekannte besondere Risiko für den Baumfalken wird hier anhand konkreter Zahlen belegt.

Tab. 2: Unterschiedliche Gefährdung verschiedener Greifvogel- und Eulenarten durch Bindegarn (G. Klammer, unveröff.)

Art kontrollierte Anzahl%-Anteil der Opfer Bruten Bindegarnopfer Lie kontrollierte Brut IM äusebussard 342 2 0,6

Rotmilan 222 0,5 Baumfalke 19 21,0

Turmfalke 398 1 0,1

Waldohreule 166 0,6

1 4 4 1

Insbesondere im Vergleich zu der am nächsten verwandten Art, dem Turmfalken, wird der Unterschied deutlich. Eine wesentliche Ursache liegt natürlich darin, daß Turmfalken nicht in dem Maße auf Krähen­nester angewiesen sind wie Baumfalken, da sie fakultativ auch Gebäude, Nistkästen usw. besetzen kön­nen. Hinzu kommt, daß Turmfalken ihre Nester weit mehr mit Schmelz und Gewöllen verunreinigen als Baumfalken. In Verbindung mit der größeren Nachkommenzahl dürfte dies dazu beitragen, daß mögli­cherweise vorhandenes Bindegarn im Horst in vielen Fällen relativ schnell"entschärft" wird. Dies scheint dadurch eine Bestätigung zu finden, daß der Anteil der Nestlingsverluste an der Gesamtmenge von Binde­garnopfern beim Turmfalken kleiner ist als beim Baumfalken(im vorliegenden Untersuchungsmaterial 54 %: 80% der Fälle im Horstbereich). Vor allem beim Baum­