OTIS 7(1999); 56-69 67
falken scheint die Gefahr des Hängenbleibens in der Zeit des Flüggewerdens zu wachsen(REUSSE& SCHNEIDER 1985). Unfälle von Jungvögeln am Nest wurden ausnahmsweise sogar nach überstandener Nestlingszeit während der Bettelflugphase registriert, indem sich die Vögel bei Beuteübergaben am Nest verstrickten. Insgesamt ist der Baumfalke - auf den Brutbestand bezogen- offenbar die Vogelart, die am stärksten durch Bindegarn gefährdet ist(Tab. 1).
Geringer als erwartet, ist das Problem für die beiden Milanarten trotz ihrer Prädisposition durch den arttypischen"Horstschmuck", der durchaus auch Bindegarn enthält. Auch U. Mammen(briefl.) fand bei 250 Rotmilanberingungen nur drei Nestlingsverluste. Offenbar halten anatomische Besonderheiten und vor allem das ruhige Verhalten der Nestlinge das Risiko für Milane trotz bindegarnkontaminierter Horste gering. Eine zusätzliche Rolle spielen bei den Milanen Angelhaken, die über die Beute in den Horst getragen werden.
Vergleichbare Relativzahlen liegen über die genannten Arten hinaus leider nur für den Kolkraben vor (wünschenswert wären sie vor allem für den Weißstorch!). P. Sömmer(unveröff.) fand in 166 Kolkrabenhorsten mit Jungen 7 Bindegarnopfer; das sind 4,2% der kontrollierten Nester bzw. 1,3% der Jungvögel in diesen Nestern. Die von T. Grünkorn(briefl.) übermittelte Zahl von 10 Jungvogelverlusten bei etwa 2500 Kolkrabenberingungen in Schleswig-Holstein entspricht dagegen nur einem Anteil von 0,4% der Jungvögel. Möglicherweise wurde in der bäuerlichen Privatwirtschaft sorgsamer mit dem Bindegarn umgegangen als in der früheren Kollektivwirtschaft im Osten Deutschlands .
Bei Bezug auf die Zahl kontrollierter Bruten wäre bei umfassenderem Material eine Hochrechnung auf die jährlichen Gesamtverluste der einzelnen Arten möglich. Da die Verluste offenbar sehr von der naturräumlichen Ausstattung der Untersuchungsgebiete(insbesondere dem Anteil an landwirtschaftlicher Nutzfläche) abhängen, bedarf es hier der Zahlen aus unterschiedlichen Gebieten. Beim Baumfalken scheinen z.B. die Verluste in einem überwiegend landwirtschaftlich genutzten Gebiet mit 21% besonders hoch zu sein (Tab. 2). REUSSE(1993) hingegen fand im Regierungsbezirk Dresden im Mittel bei 7,3% und P. Sömmer(unveröff.) in Berlin und Brandenburg bei 4,1% der kontrollierten Nester Verluste bzw. strangulierte Vögel. Ein Zusammenhang dieses gegenüber der Fläche von G. Klammer(Sachsen-Anh.) geringeren Verlustanteils mit einem kleineren Anteil landwirtschaftlicher Nutzfläche kann nur vermutet werden. Bei Annahme einer Größenordnung von 5-10 Verlusten auf einhundert Bruten wären dies bei einem geschätzten Bestand von 300 Brutpaaren in Brandenburg und Berlin jährlich 15-30 verlorene Individuen; hinzu käme eine gewisse Anzahl Brutausfälle durch Verluste adulter Weibchen. Innerhalb eines multifaktoriellen und nicht restlos geklärten Geschehens, das gegenwärtig in der Mark Brandenburg zum anhaltenden Rückgang des Baumfalken führt(SÖMMER& FIUCZYNSKI 1997), können diese Verluste durchaus ine populationsökologische Bedeutung haben.
Da Verluste abseits von Neststandorten wohl noch weniger wahrgenommen werden, gibt es hier eine zuSätzliche große Unbekannte. Insbesondere die bei dem kleinen Restbestand der Großtrappe festgestellten Bindegarnverstrickungen und-verluste sind besorgniserregend. Als Laufvogel der Agrarlandschaft besteht hier offenbar eine besondere Prädisposition. Vor allem angesichts der großen personellen und finanziellen Anstrengungen, die zum Schutz dieser Art erfolgen, erscheint es paradox, daß in denselben Schutzgebieten derartige Verluste möglich sind. Beim Kranich konnte hingegen im Gegensatz zur Großtrappe keiner der befragten Experten über Bindegarnverluste berichten. Die mehr schreitende Fortbewegung scheint ein wirksamer Schutz für diese Art zu sein.
Abschließend ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Ergebnisse vor allem die Problemlage bei Großvögeln widerspiegeln, da sich die Umfrage vor allem an die Kenner und Bearbeiter dieser Arten wandte, Daten über Kleinvogelverluste durch Bindegarn sind demzufolge unterrepräsentiert(auf Wildverluste- Konglobatbildung nach Verzehr sowie Verstrickungen, vor allem mit dem Geweih-, die in der Jagdpresse regelmäßig, v.a. für das Damwild, erwähnt werden, wurde hier nicht eingegangen). Für KleinVögel besteht insbesondere durch zerfasernde Reste eine Gefährdung, so wie auch für Großvögel mit zuNechmendem Zerfall des Materials(v.a. unter Lichteinfluß) das Risiko zunimmt. Gerade die dünnen Fasern legen noch lange Zeit herum und sind auch nach vielen Jahren noch für Kleinvögel zum Nestbau attraktiv. Während die Bereinigung der Landschaft von"frischem" Bindegarn zumindest theoretisch möglich 'Sl, erscheint die Kontamination mit dessen Resten praktisch irreversibel. Am Rande ist zu erwähnen, daß weitere faserartige Materialien ein zusätzliches Risiko dar