Heft 
Band 7 Heft 1/2
Seite
159
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OTIS 7(1999); 154-160 159

Zum Zeitpunkt der frühen Revierbesetzungen ist die ernährungsökologische Qualität der Reviere aufgrund der verzögerten Vegetationsentwicklung für die Grauammern vermutlich noch nicht ab­zuschätzen. Möglicherweise wird zunächst dort ein Revier gewählt, wo das Singwartenangebot ausreichend ist. Mit fortschreitender Vegetationsentwicklung ist Ende April/Anfang Mai die Qua­lität der Reviere besser einzuschätzen.

Ältere Männchen besiedeln ihre Reviere vermutlich früher als jüngere. Die starke Ortstreue der adulten Männchen(FISCHER, unveröff.) kann bei Veränderung der Landnutzung(z.B. Brache­umbruch) zur Ansiedlung in einem im Vergleich zum Vorjahr weniger günstigen Revier mit we­niger hohem oder feh-lendem Bracheanteil führen.

Getreide wird im Gegensatz zu Brachen eher gemieden. Es wird im Laufe des Sommers mit zunehmen­derWuchshöhe immer unattraktiver für Grauammern, da sie Nahrung überwiegend auf dem Boden laufend aufnehmen(Arthropoden zur Jungenaufzucht; FISCHER i.Dr.). Sie sind daher zur Nahrungssuche auf lichte Stellen angewiesen, die intensiv bewirtschaftete Felder kaum aufweisen. Zusätzlich zur schlechten Erreichbarkeit der Nahrung ist das Nahrungsangebot auf Äckern für Grauammern quantitativ und qualita­tiv unzureichend(FISCHER& SCHNEIDER 1996, FISCHER 1998). Wichtig ist zur Brutzeit demnach vor allem die Heterogenität der Flächen: für den Brutplatz werden dicht bewachsene Stellen, zur Nah­rungssuche lichte Stellen mit ausreichendem Angebot an größeren Arthropoden benötigt.

Der Anteil an Grünland steigt im Laufe der Revierbesetzungsperioden. Die anfänglich niedrige Vegetation nimmt an Höhe zu und gewährleistet so Deckung für die Bodennester, enthält aber teilweise auch lichte Stellen und weist durchgängig eine zur Nahrungssuche geeignete Struktur auf.

Die Grauammer meidet in der Regel die Nähe zu größeren Wald- und Feldgehölzbereichen. Dafür ist vermutlich der dort höhere Räuberdruck(MÖLLER 1989) und die fehlende Übersichtlichkeit verantwort­lich. Bei überdurchschnittlich hohem Bracheanteil wird jedoch u.U. die Nähe zu Wäldern toleriert.

Das Vorhandensein deutlich erhöhter Singwarten scheint ein sekundärer Faktor bei der Revierwahl zu sein: Reviere mit hohem Bracheanteil enthalten oft keine deutlich erhöhten Strukturen. Hier dienen mehr­jährige Hochstauden wie Beifuß oder Disteln als Singwarten. Daher ist der Anteil der Hochstauden an den gewählten Hauptsingwarten im mittleren Besetzungszeitraum doppelt so hoch wie in den anderen Zeit­räumen, weil dann die Besetzung günstiger Reviere mit hohem Bracheanteil stattfindet. Auf reinen Acker­flächen fehlen meist auch solche Singwarten, so daß nur deren Randstrukturen besiedelt werden können. Ackerflächen können daher in doppeltem Sinne als pessimal gelten: sowohl im Hinblick auf das Nah­Tungs-, als auch auf das Singwartenangebot.

Insgesamt zeigte sich, daß das Vorhandensein hinreichender Bracheanteile einen entscheidenden Faktor für die Revierwahl der Grauammer darstellt. Hohe Bracheanteile können unter Umständen ungünstige Faktoren-konstellationen(Waldnähe, Fehlen von Singwarten) kompensieren. Da auch der Bruterfolg auf Brachen höher ist als in der umgebenden Ackerlandschaft(FISCHER 1998, i.Dr.), ist die Bestandserho­lung der Grauammer in Teilen Ostdeutschlands sicher auf die Flächenstillegungen zurückzuführen. Ein hoher Anteil an Brachen in der Agrarlandschaft(mind. 10%) sollte erhalten bleiben, um Grauammern und anderen Arten der Offenlandschaft Rückzugsmöglichkeiten in der sonst ausgeräumten Landschaft zu bie­ten.

Literatur

CRICK , H. Q. P.; DUDLEY, C.; EVANS, A.D.& K. W. SMITH(1994): Causes of nest failure among buntings in the UK.- Bird Study 41: 88-94

DITTBERNER, W.(1996): Die Vogelwelt der Uckermark. - Verlag Erich Hoyer. Galenbeck 3

DONALD, P. F.& A. D. EVANS(1994): Habitat selection by Corn Bunting Miliaria calandra in winter. - Bird study 41: 199-210 A

DONALD, P.F.; WILSON; J.D.& M. SHEPHERD(1994): The decline of the Corn Bunting.- Brit. Birds 87: 106-132