Heft 
Band 8
Seite
95
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Spechte im Unterspreewald 95

GLUTZ VON BLOTZHEIM& BAUER 1980). Die Anwendung der KA sowie auch die Reaktionsbereitschaft der Vögel im UG entsprach im wesentlichen der Mittelspecht-Erfassung. Auf das KA-Vorspiel reagierten die Kleinspechte häufig mit Ki-Ki-Reihen und/oder Trommeln, seltener mit Annäherung an den Beobachter. So ließen sich die meist in größerer Entfernung zu einander liegenden Reviere gut abgrenzen. In einigen Fällen war es jedoch nicht möglich, gleichzeitig rufende/trommelnde Kleinspechte vorbehaltlos als ver­schiedene Territorien zu werten, weil die Bestimmung der Geschlechter nicht immer gelang. Daher, und auch wegen des relativ frühen Abschlusses der Kartierungen(Anfang April) könnte der Bestand im UG leicht unterschätzt worden sein.

Bemerkungen zur Erfassungsmethode SCHIERMANNS(1930) und ihren möglichen Einfluss auf die Interpretation der Bestandsentwicklung

Die in den 1920er Jahren durchgeführte Untersuchung SCHIERMANNS gilt als der Beginn quantitativer Erfassungen von Brutvogelbeständen in Europa (FLADE 1994). Daher sind diese Ergebnisse häufig zitiert und anderen Kartierungen gegenüber gestellt worden(z.B. RUTSCHKE 1983). Einerseits besteht nun erst­mals die Möglichkeit, das systematisch gewonnene Material mit einer 70 Jahre später erfolgten Untersu­chung auf derselben Fläche direkt zu vergleichen. Anderseits muss dieser, auf den ersten Blick überaus interessante Sachverhalt vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher Erfassungs- und Auswertungsme­thoden einer kritischen Betrachtung unterzogen werden, zumal sich SCHIERMANN seinerzeit auf bis dato »unbekanntem Terrain« bewegte. Es drängt sich also die Frage nach der Vergleichbarkeit der aktuell erho­benen Daten mit denen von SCHIERMANN auf. SCHIERMANN(1930) ermittelte insgesamt 120 Brutpaare der echten Spechtarten(0,8 BP/100 ha Waldfläche), während im Rahmen der aktuellen Kartierung etwa 228 Reviere(1,7 Rev./100 ha Waldfläche) registriert wurden. Für den scheinbar erheblichen Bestandsanstieg sind m.E. nicht nur die erläuterten Lebensraumveränderungen verantwortlich, sondern in starkem Maße auch die abweichenden Erfassungs- und Bewertungsmethoden.

Zur Überprüfung seiner probeflächenbezogenen Hochrechnungen verglich SCHIERMANN die Werte mit einer zuvor angestellten Gesamtschätzung für das Areal, die anhand von»Aufzeichnungen... über das Vorkommen und die Dichte der einzelnen Arten« in allen Gebietsteilen vorgenommen wurde. Allerdings fehlen in beiden Fällen detailgenaue Angaben über jene Parameter, die letztlich zur Bestandsabschätzung herangezogen wurden(z.B. Flächenauswahl, Zahl der erfassten Brutpaare, Basisdaten für Hochrechnun­gen). In Bezug auf relevante Flächengrößen für die Kartierung von Spechten liegen vielfältige Unter­suchungen und Empfehlungen vor(s. SPITZNAGEL 1993). Aus heutiger Sicht besteht kein Zweifel, dass die geringe Ausdehnung von SCHIERMANNS Kontrollflächen mit insgesamt nur 2% des UG von einem ausge­wogenen Verhältnis weit entfernt ist! Diese sehr ungleiche Beziehung ist zudem mit einer Vielzahl sowohl objektiver als auch subjektiver Fehlerquellen behaftet, z.B. Flächenauswahl, Freiland- und Auswertungs­fehler(s. FLADE 1994). Dahingehend lassen sich(vermutlich) gravierende Fehleinschätzungen der Bestandsgröße auch anderer Arten(mit ebenfalls größeren Aktionsräumen) interpretieren. Ein exempla­risches Beispiel liefert die Bekassine: SCHIERMANN(1930) gibt nur 5 Brutpaare an. Seit den 1980er Jahren ließen sich(trotz lokalen Habitatverlustes) auch ohne vollständige Kartierungen stets mehr als 10 Reviere feststellen und 1998 wurden bei einer genauen Kontrolle 22 Reviere ermittelt(eigene Beob.). Es ist sehr wahrscheinlich, dass das UG in den 1920er Jahren allein wegen des damaligen Lebensraumpotenzials über deutlich mehr als 5 Brutpaare verfügt haben muss. Darüber hinaus formuliert SCHIERMANN(1930): »Bei der Feststellung der Zahl der Brutpaare habe ich mich nicht nach der Zahl der singenden&'T gerich­tet..., sondern habe systematisch die Brutstätten aller Vogelpaare festgestellt...«. Somit wurden unver­