Prädation bei einem jungen Schreiadler 131 A
wurden Baummarder für mehrere Brutverluste bei Schreiadlern verantwortlich gemacht(HARASZTHY et al. 1996, SCHULZE 2000).
Die übrigen drei der oben genannten Nestlinge waren gerupft, also Beute eines Greifvogels. Unter diesen kommt im deutschen Teil des Verbreitungsgebietes vor allem der Habicht in Frage. Einen entsprechenden Fall beschreibt LIBBERT(1955), und STUBBE et al.(2000) nennen sogar einen fast flüggen Jungadler als Beute eines Habichts. Auch BAGYURA& HARASZTHY(1994) führen Nestlingsverluste des Schreiadlers durch den Habicht auf und erwähnen sogar einen Angriff auf einen brütenden Altadler. W. Scheller(pers. Mitt.) berichtete über Videoaufnahmen in Mecklenburg-Vorpommern , die zeigen, dass die untersuchten Schreiadlernester regelmäßig von Habichten inspiziert wurden, wobei diese sich sogar in unmittelbarer Nähe des hudernden Adlerweibchens im Horstbaum niederließen. Darüberhinaus fehlen Angaben im Schrifttum über den Schreiadler als Beutevogel anderer Greifvogel- und Eulenarten, selbst in den umfangreichen Ernährungsstudien von UTTENDÖRFER(1939, 1952) und BRÜLL(1984). Allerdings teilte T. Mizera(pers. Mitt.) mit, dass im Osten Polens der Uhu eine gewisse Bedeutung als Prädator nestjunger Schrei- und auch Schelladler(Aquila clanga ) hat.
Für einen Habicht ist die Erbeutung eines Vogels von weniger als einem Kilogramm Masse kein großes Problem(FıscHER 1980). Bei einem Schreiadlernestling handelt es sich überdies um einen weder schnellen noch wehrhaften Vogel. Um so interessanter ist die Vermutung, dass selbst bei eindeutigen Kräfteverhältnissen ein vorgeschädigter oder zurückgebliebener Jungvogel stärker gefährdet sein könnte. Dieser Verdacht wird durch eine weitere Rupfung eines Schreiadlernestlings gestützt, die T. Blohm am 9.9.1998 im Landkreis Uckermark fand. Auch an diesen nicht ganz frischen Resten war erkennbar, dass ein Teil der Federn Sparstreifen hatte und die Entwicklung auch vergleichbarer Federn unterschiedlich weit fortgeschritten war. Dieser Jungvogel war demnach möglicherweise ebenfalls nicht ganz gesund.
Selektive Jagd des Habichts auf Beutetiere, die vom Optimum abweichen, hat KENwARD(1982) beschrieben. Nach seinen Ergebnissen wurden unter Ringeltauben(Columba palumbus ) überwiegend leichtgeWichtige Tiere geschlagen. Dies ließ sich allerdings vor allem bei Verfolgungsjagden nachweisen, nicht hingegen bei Überraschungsangriffen. Auch Fasanen(Phasianus colchicus ), die fast nur durch Überrumperlung und nicht durch Verfolgung erbeutet wurden, waren nicht von schlechterer Qualität als ihre Artgenossen. Insofern lässt sich daraus nicht ableiten, dass ein Schreiadlernestling in schlechter Kondition eher erbeutet wird als ein gesunder. Dennoch spricht mindestens ein nachgewiesener Fall dafür, dass vom Nestling ausgehende Signale die Angriffsbereitschaft beim Habicht verstärken könnten. Auch Seeadler haben offenbar einen äußerst guten Blick für Beutetiere, die nicht vollständig fit sind oder durch abweichendes Verhalten auffallen und nutzen überdies jagdbegünstigende Gelegenheiten (LANGGEMACH& HENNE 2001). Dies heißt im Umkehrschluss nicht, dass zwingend jedes Beutetier vorgeschädigt sein muss.|
Eine Begünstigung von Prädatoren an Schreiadlernestern kann auch durch verstärkte Abwesenheit der Altvögel stattfinden. In Nordostpolen beispielsweise deutet sich an, dass der Rückzug der Landwirtschaft aus Schreiadlerlebensräumen mit nachfolgender Sukzession zu extrem weiten Nahrungsflügen der Altvögel führt. Die Folge sind schlechtere Reproduktionsergebnisse, unter anderem durch Nestlingsverluste(MAcıorowskı& Mizera 1999 und pers. Mitt.). Der Vergleich der Jagdgebiete von Schreiadlern in Deutschland und Lettland zeigte, dass jene in Lettland viel kleiner und kompakter sind, die Altvögel mithin längere Zeit in der näheren Horstumgebung zubringen als in Deutschland (SCHELLER et al. 2001). Bezogen auf die zur Brut schreitenden Paare liegen die Reproduktionsergebnisse in Lettland signifikant
höher(SCHELLER et al. in Druck).