Heft 
Band 12
Seite
116
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flog der Altvogel zu einem 50 m entfernten Baum am Bestandsrand, offenbar dem Schlafbaum, ab. Auch am nächsten Morgen um 6.00 Uhr wurde das Männchen wieder fütternd beobachtet.

Bis Ende August 2004 erfolgten 41 Beobachtungen (zwischen 10 min. und 180 min., im Durchschnitt 48 min.) im Horstbereich, insgesamt für 32 Stunden und 30 Minuten, meist morgens und abends. Ein zweiter Altvogel wurde zu keiner Zeit festgestellt. Da sich der Horst in einem Buchenaltholz mit ca. 70% Deckungsgrad befindet, konnte bis zum Austrieb des Laubes Mitte Mai recht günstig aus ca. 150 m Entfernung beobachtet werden. Am Bestandsrand verläuft ein befestigter Forstweg, der relativ häufig von Radfahrern, Joggern und Wanderern benutzt wird. Die Seeadler reagierten schon in den vergange­nen Jahren relativ unempfindlich auf diese Bewe­gungen. Die Beobachtungen erfolgten dennoch mit größt möglicher Vorsicht, um das deutlich empfind­lichere Männchen nicht zusätzlichem Stress auszu­setzen. Interessant war, dass sich in ca. 80 m Entfernung ein besetzter Kolkrabenhorst befand. Am 15.4. waren im Horst fast flügge juv. zusehen. Doch am 27.4. war der Kolkrabenhorst mit Sicherheit leer, ohne dass die jungen Kolkraben aus­geflogen waren. Eine Ursache für den Verlust der Jungvögel konnte nicht ermittelt werden.

Die jungen Seeadler entwickelten sich normal. Mehrfach wurden volle Kröpfe festgestellt. Am 25.4. wurde eine Blessralle verfüttert und es konnte erst­malig beobachtet werden, wie ein juv. schon selbst zu kröpfen versuchte. Am 27.4. wurden erstes Flügel­schlagen festgestellt und erste Lahnlaute gehört. Die Jungvögel waren untereinander kaum aggressiv und lahnten kaum. Am 11.5. standen die juv. aufrecht und kröpften selbständig. Der Altvogel hatte die Beute nur kurz abgelegt. Am 18.5. stand ein Junges bereits auf einem Ast am Horstrand. Immer häufiger erfolgte von nun an heftiges Flügelschlagen.

Bettelflugphase: Bereits am 10.6. war der erste Jungvogel ausgeflogen. Er strich von einer direkt am Weg stehenden Buche(ca. 150 m vom Horst ent­fernt) halbhoch ab und landete am Rand in einer Jungbuche in ca. 5 m Höhe. Der zweite juv. war am 11.6. ausgeflogen. Die Jungvögel hielten sich meist halbhoch im Bestand auf. Am 15.6. beobachtete ich, wie der Altvogel mit einem Fisch kam und auf einer Lärche aufbaumte. Beide juv. beobachteten ihn ohne zu lahnen. Nach 10 Minunten flog der Altadler mit der Beute zu einem Jungvogel, der dann ca. 5 Minu­ten lahnte. Die Beuteübergabe konnte nicht direkt

Otis 12(2004)

gesehen werden. Da am 1.7. ein juv. vom Boden auf­flog; ist anzunehmen, dass die Beute gelegentlich bei der Übergabe auch auf den Boden fiel. Der Horst schien bei der Beuteübergabe keine Rolle mehr zu spielen. Auf dem Horst wurde nur am 7.7. ein Jungvogel festgestellt. Am 25.7. landete der Altvogel mit Fisch direkt am Boden, wo sich bereits ein juv. befand. Der zweite kam sofort heftig lahnend dazu. Es war festzustellen, dass die Jungvögel ab Mitte Juli deutlich häufiger und intensiver riefen. Auch am 3.8. konnte eine Beuteübergabe am Waldboden beob­achtet werden, wobei ein juv. sogleich mit der Beute wieder auf einen Baum flog. Am 15.8. fand dagegen eine Beuteübergabe auf dem Horst statt, wobei sich die Jungen auch hier nur wenige Sekunden aufhiel­ten. Offenbar verließen die Juv. nun häufiger das engere Brutrevier, denn am 23.8. und 26.8. wurden sie dort nicht angetroffen. Die systematischen Beobachtungen im Brutrevier wurden Ende August eingestellt.

Diskussion: Die Tatsache, dass während der Brut­und Aufzuchtzeit des Seeadlers ein Altvogel ver­schwindet, mag zwar selten, aber doch immer wie­der einmal vorkommen. ALBRECHT& HAUFF(1984) beschreiben einen Fall in Mecklenburg , in dem ein Weibchen verunglückte und das Männchen die zwei 6 bis 7 Wochen alten Jungvögel drei Wochen allein versorgte bis das gesund gepflegte Weibchen wieder im Revier frei gelassen werden konnte. B. Struwe­Juhl(pers. Mitt.) berichtete aus Schleswig-Holstein , dass es nach Ausfall des Männchens zu Kainismus unter den 44 Tage alten Jungen kam, weil das Weibchen offenbar kaum fütterte. Ein juv. wurde dennoch flügge. H. Freymann(pers. Mitt.) ist ein vergleichbarer Fall bisher nicht bekannt geworden. Gelegentliche Ausfälle von Altvögeln während der Brutzeit führten nach seinen Beobachtungen dann aber immer zum Brutausfall. Bei GLUTZ VON BLOTZHEIM et al.(1971) und auch FISCHER(1982) wird beschrieben, dass besonders in den ersten Wochen das Weibchen die vom Männchen herbeige­schaffte Beute verfüttert. GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. (1971) zitieren allerdings WILLOGHS(1961), der ein Männchen beobachtete, dass etwa gleich häufig füt­terte wie sein Weibchen. WENDLAND (1937) beobach­tete an einem ostpreußischen Seeadlerhorst mit 40­45 Tage alten Jungvögeln, dass das Weibchen sich noch nicht an der Jagd beteiligte. Er stellte stets einen Altvogel am Horst fest, von dem'er auf Grund des Verhaltens annahm(das Männchen war scheu­er), dass es immer das Weibchen war.