Bellebaum et al.: Wasserhaushalt, Grünlandnutzung und Wiesenvögel 37
und Seggenrohrsänger. Bezeichnenderweise bevorzugen drei dieser Arten mindestens auf Teilflächen eine höhere Vegetation, die ihnen Deckung bietet.
Die vor mehr als 20 Jahren einsetzende Verschlechterung der Situation für Wiesenbrüter konnte im Odertal noch nicht aufgehalten werden. Auch heute sind es wenigstens teilweise die Verhältnisse im Unteren Odertal selbst, die zur Gefährdung mehrerer Arten führen. Für die meisten Limikolen wirken hohe Gelegeverluste durch Prädation und Kükensterblichkeit additiv: die Mehrzahl der Erstgelege kommt nicht zum Schlupf, und die Küken aus den Nachgelegen haben durch den späten Schlupftermin sehr geringe Überlebenschancen. Die Bruterfolge reichen deshalb langfristig gesehen wohl nicht aus, um die Bestände stabil zu halten. Im Gegensatz dazu könnte der Bruterfolg der Wiesenschafstelze(und vermutlich auch anderer Singvögel) ausreichend sein, wenn die Verluste durch Landnutzung nicht zu hoch sind, denn diese Arten sind weniger durch Prädation gefährdet(BELLEBAUM et al. 2002). Ob Bekassine, Wachtelkönig und Seggenrohrsänger ausreichend reproduzieren, ist unbekannt. Die nach wie vor hohen Bestände des sehr umsiedlungsfreudigen Wachtelkönigs speisen sich vielleicht auch aus osteuropäischen Herkunftsgebieten(SCHÄFFER& MAMMEN 2003). Die sich gegenseitig bedingenden menschlichen Eingriffe durch Entwässerung und möglichst frühzeitige Mahd auf großer Fläche gefährden also nach wie vor die Wiesenbrüterbestände.
Andererseits bedeutet die Umwandlung der von Süßgräsern dominierten Wiesen und Weiden in ungenutzte Röhrichte und Riede für alle Wiesenvögel einen Lebensraumverlust. Zugleich verhindern die Deiche und das heutige Wasserregime, dass Lebensräume auf natürliche Weise neu entstehen. Wachtelkönige könnten zwar die geringe Dichte auf nicht genutzten Flächen teilweise durch höhere Bruterfolge kompensieren, da dort keine Verluste durch Bewirtschaftungsmaßnahmen auftreten. Die lokale Population könnte langfristig bei geringerer Dichte aber nur stabil bleiben, wenn die Reproduktion hoch genug wäre und ungenutzte Flächen nicht völlig aufgegeben würden- beides ist noch nicht geklärt. Bei den Synchronzählungen zeigten sich ein Rückgang der Ruferzahlen im Juni und eine deutliche Verschiebung der Jahresmaxima vom Juni in den Mai(SADLIK 2005). Die Tendenz der meisten LandWirtschaftsbetriebe, Flächen entweder möglichst früh(im Juni) oder gar nicht mehr zu nutzen, dürfte das Angebot an geeigneten Flächen für Wachtel
könige im Juni verringern. Für die Bestände von Seggenrohrsänger und Wachtelkönig, für die das Untere Odertal in Deutschland von einzigartiger Bedeutung ist, sind solche Entwicklungen im Moment eine ernsthafte Gefährdung, weil die Nutzungsaufgabe in den letzten Jahren gerade in den von ihnen bevorzugt besiedelten Bereichen voranschritt. Weil es bisher nicht gelungen ist, den Rückgang der Wiesenbrüter aufzuhalten, sollte nach wirksameren Maßnahmen des Naturschutzes im Odertal gesucht werden. Ziel sollte dabei sein, die bekannten Rückgangsursachen in ihrer Wirkung auszuschalten und langfristig geeignete Lebensräume in ausreichender Größe zu sichern, um stabile Populationen zu erhalten. Dazu sind drei Probleme vordringlich zu lösen.
Verbesserung des Wasserhaushalts
In nicht-natürlichen Systemen wie den Poldern ist eine Steuerung des Wasserstandes, die sich nicht an den Bedürfnissen der Lebensgemeinschaften orientiert, eine ständige Gefährdung für Wiesenvögel. Bis zum Ende der Brutzeit sind diese für eine erfolgreiche Jungenaufzucht auf flache Ufer, Blänken und einen ausreichenden Anteil mindestens feuchter Flächen oder Senken angewiesen. Mit einem veränderten Wasserregime in den Flutungspoldern und höheren Wasserständen in den Trockenpoldern würden sich die Bedingungen für brütende und durchziehende Limikolen und auch für Enten deutlich verbessern. Angesichts hoher Gelegeverluste durch Prädation kommt verbesserten Überlebenschancen für Küken bis Anfang Juli zur Steigerung der Bruterfolge eine besondere Bedeutung zu. Hohe Wasserstände bis in die Brutzeit und das Entfernen der zahlreichen künstlichen Aufschüttungen sind auch geeignet, um Feuchtgebiete für Bodenprädatoren, besonders für Füchse, unattraktiv zu machen. Das gilt gerade im ebenen Niedermoor des Polders 5/6, das kaum natürliche Erhebungen aufweist.
In einem Nationalpark gebieten auch andere Schutzziele, frühere wasserbauliche Eingriffe möglichst rückgängig zu machen, die intensive Entwässerung Anfang Mai einzustellen, die Stauziele anzupassen und die Unterhaltung von Gräben(mit der Folge steiler Uferkanten) einzuschränken. Welche Auswirkungen konkrete Änderungen des Wasserregimes auf Wiesenbrüter haben, ist jedoch nicht leicht vorherzusagen, wie zwei unerwartete Ergebnisse des Forschungsprojekts beweisen: die hohen Prädationsverluste in den Flutungspoldern und die